Thema Zukunft Europa

Die Taxonomie-Verordnung legt fest, wann Wirtschaften in der EU als ökologisch nachhaltig betrachtet wird – und wann nicht. Wir sprechen mit Georg Mayer über nachhaltige Finanzpolitik.

Show Notes

Die Taxonomie-Verordnung legt fest, wann Wirtschaften in der EU als ökologisch betrachtet wird – und wann nicht. Was ist nachhaltig? Dazu gehen die Meinungen auseinander. Wir sprechen mit dem FPÖ-Europaabgeordneten Georg Mayer - nach einer kurzen Kennenlernrunde.

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Composer
Peter Kollreider
Producer
Peter Kollreider
head of hoerwinkel

What is Thema Zukunft Europa?

Der offizielle Podcast des Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments in Österreich.

TZE 22 - 08 - Georg Mayer
Georg Mayer (FPÖ) über die Taxonomie-Verordnung

Willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu unserem Podcast Thema Zukunft Europa. Wir widmen uns in jeder Folge einer oder einem österreichischen Abgeordneten, und stellen Fragen zu Themen, die für die Zukunft Europas relevant sind. Heute zu Gast: Georg Mayer, Europaabgeordneter der FPÖ aus der Steiermark. Er ist Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie. Und auch im Verkehrsausschuss. Mit ihm sprechen wir über eine nachhaltige EU-Finanzpolitik. Konkret: die Taxonomie-Verordnung. Näheres dazu nach einer kurzen Kennenlern-Runde.

F: Herr Mayer, wie sieht ihr Arbeitsalltag im Europäischen Parlament aus? Geben Sie uns einen kleinen Einblick.
A: Der ist relativ vielschichtig. Zum einen ist es mit einer sehr hohen Reisetätigkeit verbunden. Also Sie wissen ja, es gibt die Sitze in Brüssel und Straßburg, also da ist dann schon Hin und Her, dann natürlich im Heimatland, wo man gewählt ist. Also man ist sehr viel auf der Reise und das ist natürlich auch das Ziel, jetzt nicht nur im Parlament zu sein, sondern natürlich auch zu Hause, bei den Menschen und bei den Wählern, die mich ja am Ende des Tages auch gewählt haben und für die ich ja unterwegs bin. Aber es ist natürlich sehr verschieden, sehr vielfältig. Es ist sehr viel, mit Administration natürlich hat das zu tun, das Europaparlament. Weil Sie müssen sich vorstellen, das ist natürlich ein sehr großer Apparat. Und diese Ausschüsse, da gibt es Dolmetsch und so weiter und so fort. Also es ist jetzt, sage ich mal, nie ein Tag wie der andere, was schon interessant ist, aber natürlich mit der Reisetätigkeit auch eine große Herausforderung ist.

F: Sie haben ursprünglich Jus studiert. Wenn Sie nicht Politiker wären, was würde Sie heute am ehesten beruflich machen?
A: Ganz klare Antwort: Dann wäre ich Anwalt. Also mir würde, so wie man das nennt, Wald- und- Wiesen-Anwalt gut gefallen, dass man so alles Mögliche macht, also in allen Bereichen tätig ist. Das war auch mein ursprünglicher Plan. Aber nachdem ich schon sehr lang nicht in der Politik bin, ist der Weg woanders abgebogen. Und jetzt wird sich wahrscheinlich nicht mehr ausgehen, dass ich nochmals Prüfungen auch noch mache.

F: Letzte Frage, die wir immer stellen: Wo wird die EU, geht es nach Ihnen, in zwanzig Jahren stehen?
A: Es gibt zahlreiche Bereiche, wo sich die Europäische Union weiterentwickeln muss, um überhaupt in der Zukunft anzukommen. Aber ich denke, das Thema der nächsten 10 bis 20 Jahre wird die Energiepolitik und der Energiemarkt sein. Und das zweite ist ganz bestimmt Geldpolitik, weil wir sehen ja, dass die Inflation derzeit schon auf 9 % ist, die Menschen es immer schwieriger haben, mit ihrem, mit ihren Einkünften auch auszukommen. Das heißt, das Geld wird weniger wert, die Energiekosten steigen massiv und das werden die Herausforderung der nächsten 10 bis 20 Jahre werden.

Nun zum Thema: die Taxonomie-Verordnung. Ein sehr bürokratischer Ausdruck für eine zentrale Sache: eine nachhaltige Finanzpolitik. Die Taxonomie-Verordnung legt fest, wann Wirtschaften in der EU als ökologisch nachhaltig betrachtet wird – und wann nicht. Das ist nicht ganz neu. Die Verordnung trat 2020 in Kraft. Der übergeordnete Green Deal hat zum Ziel, Europa zu einem klimaneutralen Kontinent zu machen. Treibhausgasemissionen zu senken und die Wirtschaft zu modernisieren. Die COVID-19- Pandemie habe die Notwendigkeit unterstrichen, Gelder in nachhaltige Projekte umzuleiten, so die Europäische Kommission. Damit sollen Volkswirtschaften, Unternehmen und Gesellschaften - insbesondere die Gesundheitssysteme - widerstandsfähiger gegen Klima- und Umweltschocks gemacht werden“. Ein ehrgeiziges Vorhaben also. Was ist nachhaltig? Was nicht? Dazu gehen die Meinungen auseinander. Wir sprechen jetzt mit dem FPÖ-Europaabgeordneten Georg Mayer.

F: Herr Mayer, das Aktuelle zuerst: Im Juli hat das Europäische Parlament beschlossen, dass bestimmte Atomkraft- und Erdgasaktivitäten als umweltverträglich gelten. Und zwar, weil sie Übergangstätigkeiten sind, die zum Klimaschutz beitragen. Wie kam es dazu?
A: Es handelt sich dabei um einen delegierten Rechtsakt, das heißt ... es braucht da keine Zustimmung des Parlaments. Was wir jetzt gemacht haben, vor allem als österreichische Delegation, die ja der Kernkraft sehr kritisch gegenübersteht: Wir haben einen Antrag aufgesetzt, der in die Richtung geht, dass man sagt: Wir wollen nicht, dass die, dass die Kernkraft, die Atomkraft als grün und nachhaltig eingestuft wird, denn sonst wäre dieses Thema überhaupt nie ins Europäische Parlament gekommen. Das heißt, ein Antrag, vor allem auch von Österreich initiiert, der sagt: Wir wollen nicht, dass die Taxonomie die Kernkraft quasi als grüne Energie aufnimmt. Und da haben wir für diesen Antrag gestimmt, was wiederum heißt, es ist ein bisschen komplex: Wir haben gegen die Aufnahme der Atomkraft in diese Taxonomie- Verordnung gestimmt.

F: ... hatten damit aber nicht die absolute Mehrheit auf Ihrer Seite. An dieser Stelle muss man vielleicht kurz erklären - worum geht’s in der Taxonomie-Verordnung, worum geht’s bei dieser Entscheidung?
A: Das große Missverständnis ist natürlich durch die etwas komplexer Geschäftsordnung bei uns: dass ganz, ganz viele Menschen und auch Journalisten glauben, dass jetzt die Atomenergie, die in dieser Taxonomie-Verordnung jetzt aufgenommen ist, durch die Europäische Union gefördert wird. Das ist es aber nicht. Sondern: Durch die Taxonomie-Verordnung sagt nur die Kommission: Gut, das ist ein Energiebereich, jetzt eben auch Atomenergie, wo dann private Investoren investieren können und dadurch diese dann sagen können: Das ist jetzt grüne Energie, auch wenn es Atomenergie ist. Und wir alle wissen, dass Atomenergie weit weg von grüner Energie ist. Das ist ein bisschen der verwirrende Teil dieser Verordnung.
Da geht es ja jetzt nicht darum, dass Kernkraft gefördert wird oder die Energie-Bereiche, die dort drinnen sind, sondern da geht es im Wesentlichen ja darum, dass es dann eine Liste gibt, wo private ... zum Beispiel Fonds oder Fonds im Allgemeinen, dann einen Nachhaltigkeits-Fonds zum Beispiel ... wer in Atomenergie investieren kann und damit aber sagen kann, er hat in nachhaltige Energie-Bereiche investiert, darum geht es dort im Wesentlichen.

F: Vielleicht muss man das zum besseren Verständnis wiederholen: Es hat einen Antrag gegen den Kommissionsvorschlag gegeben, also den Vorschlag, bestimmte Atomkraft- und Erdgasaktivitäten als umweltverträglich einzustufen. Aber für ein Veto hätte es die absolute Mehrheit gebraucht, in diesem Fall war eine einfache Mehrheit im Europäischen Parlament nicht ausreichend. Also ging dieser Antrag gegen den Kommissionsvorschlag nicht durch.
A: Der braucht eben gewisse Mehrheiten, damit er durchgeht, damit es auch behandelt wird. Und die gab es im Parlament nicht. Das war aber absehbar, weil die zwei größten Mitgliedstaaten, die Franzosen und die Deutschen, nicht mitgegangen sind mit diesem Antrag der Atomkraft, der gesagt hätte: Atomkraft ist keine nachhaltige und grüne Energie. Das ist für mich zu akzeptieren. Wenn es das nicht gibt, wenn sich keine Mehrheit findet, dann findet sich keine Mehrheit, dann muss ich auch damit leben.
Das ist ja ein delegierter Rechtsakt. Das heißt, das Parlament ist dort nicht unmittelbar eingebunden. Das ist etwas, was uns ja zum Beispiel auch stört. Also wir können nicht direkt Einfluss nehmen darauf, also wir als Abgeordnete. Das heißt, die Kommission hat da ihre eigenen Vorstellungen und die hat sie auch so umgesetzt. Das ist der Hintergrund auch dafür, dass es diese da gibt es eine Forschungsstelle ... und diese Forschungsstelle hat auch gesagt, was ist grün und was ist nachhaltig? Die heißt Joint Research Center, das ist die Gemeinsame Forschungsstelle der Kommission. Und dort haben die in einem 380-seitigen Bericht dann gesagt, okay, was ist nachhaltig und was ist grün? Und das nehmen wir in diese Verordnung auf. Da gibt es jetzt Dinge, die machen durchaus Sinn, für mich eher dann natürlich Wasserkraft, überhaupt als Österreicher, aber andere, die machen halt überhaupt keinen Sinn. Also Atomkraft zum Beispiel.

F: Die Europäische Kommission sieht Atomkraft, oder Kernenergie, als CO2-arme Energiequelle. Und sie beruft sich unter anderem auf Standpunkte des Weltklimarats und der OECD. Das Argument ist: CO2- Emissionen von Kernkraftwerken sind im Verlauf ihres Lebenszyklus nicht höher bzw. sogar niedriger als die CO2-Emissionen aus erneuerbaren Energiequellen. Ist was dran an dem Argument?
A: Wir wissen ja als Österreicher, und ich lebe in der Nähe von Graz, wir haben das Kernkraftwerk Krsko hier, keine 100 Kilometer von Graz. Das ist ein veraltetes sowjetisches Kraftwerk, das ist noch zu Zeiten Jugoslawiens gebaut worden. Wenn dort ein Störfall ist, ja, dann haben wir mitten in Europa eine Riesenkatastrophe. Und deswegen ist für uns die Atomenergie auf keinen Fall nachhaltig. Und die Kommission hat bei ihrer Bewertung, dass die Atomenergie nachhaltig wäre, eine Studie, eine Inhouse- Studie gemacht, wo sie auf verschiedene Dinge eingegangen ist, nämlich zum Beispiel, dass es halt kein CO2-Ausstoß hat. Auf der anderen Seite hat man aber völlig vernachlässigt die Gefahren der Atomenergie, nämlich dass es Zwischenfälle gibt und auch, dass es natürlich dann Abfälle gibt, Atom-Abfälle, die Jahrtausende lang nach strahlen und wo es keine Endlagerstätten gibt dafür.

F: Die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler hat eine Klage angekündigt, dann würde das Thema vor dem EuGH landen, also dem europäischen Gerichtshof. Welche Chancen rechnen sie dem aus?
A: Ja, das ist schwer einzuschätzen. Der EuGH tendiert manchmal dazu, auch politisch Entscheidungen zu treffen. Man kann das ganz schwer einschätzen, was der dann dazu sagt. Die Erfolgsaussichten sind daher für mich nicht vorhersagbar. Die Geschichte ist nur die: Sie muss die Klage jetzt bald mal einreichen, denn die Frist läuft im Oktober aus. Und bis jetzt sind nur mediale Ankündigungen, was wir erleben, aber noch keine Taten, die sie gesetzt hat.

F: Allgemein geht es bei der Taxonomie-Verordnung ja darum, Greenwashing zu vermeiden. Umweltschutz und Klimaresilienz sind Kriterien, außerdem der Schutz der Wasserressourcen, Förderung der Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung und Schutz der Ökosysteme. Generell ein guter Ansatz?
A: Na ja, aber genau das macht man ja. Also mit dieser Aufnahme der Atomenergie in diese Verordnung betreibe ich jetzt Greenwashing, nämlich ich wasche die Atomenergie grüner. Also: Das ist ein bisschen ein Widerspruch, meines, meines Erachtens nach. Natürlich macht es einen Sinn, dass man gewisse Dinge natürlich dort aufnimmt, um die zu schützen und das klarzustellen. Also da hat sicher niemand was dagegen. Niemand hat etwas dagegen, nachhaltige Energiequellen zu finden. Das ist uns allen klar, denke ich, dass wir unsere Umwelt verschmutzen. Den Umweltschutz ist auch Heimatschutz, und dahin muss die Reise gehen.

F: Die Taxonomie-Verordnung ist Teil des Grünen Deals der Kommission, also dem übergeordneten Plan, die EU klimaneutral zu machen. Daher zum Abschluss die Frage: Wie wichtig, wie zentral sollte Klimaschutz sein, oder: ist Klimaschutz für Sie?
A: Ja, das ist natürlich ein heißes Thema und es ist fast schon ein bisschen wie Religion. Das erleben wir jetzt seit drei Jahren, wo das Thema sehr präsent ist immer. Den Klimawandel bekämpfen oder Klimaschutz. Also das Klima muss nicht von uns geschützt werden. Das Klima auf der Erde ändert sich seit Milliarden Jahren, und zwar immer. Das hängt davon ab, jetzt, wie nah wir bei der Sonne sind, wie die Rotation der Erde ist. Natürlich wird niemand etwas dagegen haben, dass man die Natur schützt und die CO2-Ausstoss reduziert. Aber ob dieser Klimawandel so sehr menschlich beeinflusst ist, das wage ich zu bezweifeln.
Und wir als Europäer glauben: Wir werden das Weltklima retten. Das wird es nicht spielen. Niemand hat etwas gegen innovative Energien. Aber man muss natürlich auch sehen, dass man durchgängig versorgen muss und wird. Mit dieser Politik geht die Europäische Kommission jetzt in ein Zeitalter oder in eine Politik, wo sie Europa deindustrialisieren wird. Und das halte ich für einen riesenschweren Fehler.

HOST: Der FPÖ-Europaabgeordnete Georg Mayer war das. Wir haben mit ihm über die Taxonomie- Verordnung gesprochen. Danke fürs Gespräch.
MAYER: Ja, gerne. Danke für die Einladung.

Dieser Podcast wird im Auftrag des Europäischen Parlaments produziert und kommt aus dem Podcast-Studio hoerwinkel in Wien.