Thema Zukunft Europa

Seit 1. Juli 2022 gilt eine neue Roaming-Regelung. Warum das nötig war und was sich nun verbessert, darüber sprechen wir mit Angelika Winzig.

Show Notes

Angelika Winzig ist Europaabgeordnete der ÖVP und Mitglied im Haushaltsausschuss. Sowie unter anderem in den Ausschüssen für internationalen Handel und für Industrie, Forschung und Energie. 
Seit 1. Juli 2022 gilt eine neue Roaming-Regelung. Warum das nötig war und was sich nun verbessert, darüber haben wir mit ihr gesprochen. Angelika Winzig hat als Berichterstatterin im Europäischen Parlament an der neuen Verordnung mitgearbeitet.

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Peter Kollreider
Producer
Peter Kollreider
head of hoerwinkel

What is Thema Zukunft Europa?

Der offizielle Podcast des Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments in Österreich.

TZE 22 - 08 - Angelika Winzig
Angelika Winzig (ÖVP) über Roaming

Willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu unserem Podcast Thema Zukunft Europa. Wir widmen uns in jeder Folge einer oder einem österreichischen Abgeordneten, und stellen Fragen zu Themen, die für die Zukunft Europas relevant sind. Heute zu Gast: Angelika Winzig. Sie ist Europaabgeordnete der ÖVP und Mitglied im Haushaltsausschuss. Sowie unter anderem in den Ausschüssen für internationalen Handel und für Industrie, Forschung und Energie. Mit ihr sprechen wir heute über die neue EU-Roamingverordnung. Gleich nach einer kurzen Kennenlern-Runde.

F: Frau Winzig, Stichwort Arbeitsalltag im Europäischen Parlament: Was denken Sie, was würde die meisten unserer Zuhörer:innen wohl überraschen?
A: Grundsätzlich ist das österreichische Parlament vollkommen unterschiedlich von der Arbeitsweise im Europäischen Parlament. Also wir tagen drei Wochen im Monat in Brüssel und eine Woche sind wir in Straßburg, haben aber nicht nur in Straßburg Plenarsitzungen, sondern auch so genannte Mini-Plenums in Brüssel. Dann ist die Ausschussarbeit viel intensiver. Und auch bei Plenarabstimmungen stimmen wir im Unterschied zu Österreich Hunderte von Änderungsanträgen ab. Das ist für Bürgerinnen und Bürger natürlich schwer nachzuvollziehen. Ja, und der Funfact vielleicht: Wir haben weder in Brüssel noch in Straßburg warmes Wasser im Parlament.

F: Das hat gesundheitliche Gründe, habe ich gehört, weil Legionellen im Wasser entdeckt wurden. Andere Frage: Wie herausfordernd sind Verhandlungen auf Englisch?
A: Ich verhandele alles in Englisch. Ich mag diese „Switcherei“ von Deutsch/Englisch oder halber Satz Deutsch, halber Satz Englisch, das mag ich ehrlich gesagt nicht. So habe ich beschlossen, von Anfang an Englisch zu verhandeln. Grundsätzlich werden ja alle Ausschüsse, Plenarsitzungen und Fraktionssitzungen in 27 Sprachen übersetzt. Und man kann auch immer die Muttersprache sprechen, wenn man will. Besonders opportun ist es, einfach bei Plenarreden, dass man dann in der Muttersprache spricht.

F: Aber Gesetzesvorlagen auf Englisch zu bearbeiten – das ist keine Herausforderung?
A: Wenn man da gewisse Zeit dabei ist, dann geht das ganz gut. Und die technische Sprache und die politische Sprache, ich glaube, das haben die meisten von uns drauf.

F: Wo soll die EU in zwanzig Jahren stehen? Was ist Ihre Vision?
A: Ja, die EU soll auf alle Fälle weiterhin eine Friedensunion sein, auch wenn wir neue Mitgliedstaaten aufnehmen. Das ist, glaube ich, auch jetzt in der Zeit, ganz, ganz wichtig, dass wir alle da zusammenarbeiten, um das zu erreichen. Und dann ist mir natürlich auch wichtig, dass die Europäische Union eine wettbewerbsfähige, starke Wirtschaftsunion ist, die unabhängig ist von den selbsternannten Alpha-Wölfen dieser Welt. Und wir sehen das ja jetzt mit Putin, wie wir in der Abhängigkeit sind. Und das müssen wir vermeiden.

Nun zum Thema: Roaming. Wer im EU-Ausland unterwegs ist und zuhause anruft, muss sich keine Sorgen über zusätzliche Kosten machen. Man telefoniert gratis bzw. zahlt man die heimischen Gebühren, dank EU-Roamingverordnung. Sie gilt in allen EU-Mitgliedstaaten, außerdem in Island, in Liechtenstein und Norwegen. Seit 1. Juli 2022 gilt eine neue Roaming-Regelung. Warum das nötig war und was sich nun verbessert, darüber sprechen wir mit Angelika Winzig. Sie hat als Berichterstatterin im Europäischen Parlament an der neuen Verordnung mitgearbeitet.

F: Frau Winzig, die Roaming-Gebühren auf EU-Ebene wurde bereits 2017 abgeschafft, warum hat es nun eine neue Roaming-Verordnung gebraucht?
A: Grundsätzlich hat ja die Roaming-Verordnung ein Ablaufdatum, was ja nicht schlecht ist, denn Sie wissen ja, der Telekommunikationsmarkt entwickelt sich ja rasant. Und da ist es natürlich auch sinnvoll, dass wir mit den Gesetzen auch am Puls der Zeit sind.
Wir haben nicht nur geschaut, dass wir diese Verordnung verlängern, sondern wirklich auf wesentliche Verbesserung für den Konsumenten durchführen. Und ich hoffe, dass zukünftig das auch spürbar ist für den Endkunden, nämlich dass wir die Telekommunikationsfirmen verpflichtet haben, dass sie dieselbe Qualität der Dienste im Ausland erfüllen müssen wie sie die Telekommunikationskunden zu Hause haben. Und es hat ja Telekommunikationsfirmen in der Vergangenheit gegeben, die beispielsweise die Geschwindigkeit ihrer Kunden gedrosselt haben, als diese im Ausland unterwegs waren. Und da haben wir jetzt einen Riegel vorgeschoben.

F: Das heißt, eine Verbesserung ist: Ich surfe jetzt beispielsweise im Urlaub in Griechenland mit derselben Geschwindigkeit wie hier in Österreich?
A: Genau. Es muss technisch möglich sein, aber ansonsten gibt es da keine Ausnahmen.

F: Und wie hilft mir als Kunden die neue EU-Verordnung noch?
A: Ja, zum Beispiel wird man als Kunde nun auch von den Mehrwertdienstnummern im besuchten EU-Ausland informiert, damit man auch hier keinen Preis-Schock oder Rechnungs-Schock bekommt, wenn man dann zu Hause vom Urlaub zurück ist.

F: Okay. Roaming heißt ja, vom EU-Ausland nach Österreich zu telefonieren. Aber wenn ich von Österreich nach Deutschland oder Italien telefoniere etwa, zahle ich extra. Zumindest bei den meisten Anbietern. Manche bieten ja extra EU-Minuten an. Warum ist denn diese innereuropäische Telefonie bisher nicht zum heimischen Tarif möglich?
A: Ja, wir haben einen freien Markt. Und mich ärgert das aber auch sehr. Und daher war es mir bei den Roaming-Verhandlungen so ein großes Anliegen auch dieses Thema mit einzubeziehen, obwohl dieses Thema eigentlich in eine andere Verordnung gehört. Aber nichtsdestotrotz habe ich da erreicht, dass wir die Kommission verpflichten konnten, sich auch um diesen Bereich zu kümmern und gegebenenfalls auch in der nächsten Zeit legislative Schritte zu setzen. Also ich glaube, das ist auch wichtig für die weitere Integration unseres europäischen Binnenmarktes.
Ich hoffe, dass es so bald wie möglich in Erfüllung geht. Ich werde auf alle Fälle dranbleiben und auch meine Roaming-Kollegen da mitmotivieren, an meiner Seite zu kämpfen. Und es ist ja wirklich unverständlich, wieso man in die eine Richtung keine Roaminggebühren hat und in die andere schon. Also das ist lächerlich.

F: Das heißt, es geht in die Richtung EU-Minuten... Jetzt ist Roaming ja unumstritten, die Vorteile sind ganz klar. Wie kann man dann die Diskussionen dazu im Europäischen Parlament vorstellen?
A: Grundsätzlich - das kriegt ja der Konsument nicht mit - war die große Diskussion natürlich über die Wholesale-Cap. Also ich sag, es geht immer wieder nur ums Geld. Und das sind diese Kosten, diese Vorleistungs-Entgelte, die sich die Mobilfunkbetreiber untereinander verrechnen. Und das ist natürlich ein Eingriff in den Markt, und das muss sehr sensibel sein. Andererseits ist der Telekommunikationsmarkt, wie wir wissen, ein oligopolistischer Markt, wo man so einen Eingriff schon rechtfertigen kann.

F: Roaming war ja nicht immer selbstverständlich. Erklären Sie kurz, wie das sich in der EU entwickelt hat.
A: Ja, die erste Roaming-Verordnung wurde 2007 beschlossen. Hier wurden zum ersten Mal Preise reguliert. Und Sie können sich vorstellen, dass die Telekommunikationsfirmen generell kein Interesse daran haben, dass sie von der EU vorgeschrieben bekommen, wie die Preise gestaltet sein müssen. Dann ging es weiter. 2017 war das so, dass Roaming dann eingeführt wurde und sehr großen Anklang fand. Es hat sich alles gesteigert, also vor allem das Datenroaming hat sich in den letzten Jahren sehr gesteigert. Und ja, 2021 haben wir dann eben damit begonnen, diese Roaming-Verordnung neu zu gestalten und sehr viele neue Aspekte einzubringen.
Es ist auch heute schwierig durchzubringen, dass die Telekommunikationsfirmen weniger verdienen. Darum brauchten wir auch drei Trilog-Verhandlungen, weil es natürlich daran gescheitert ist, welche Höhe diese sogenannten Vorleistungs-Entgelte oder Wholesale-Caps - wie hoch die sein dürfen.

F: Lassen Sie uns noch kurz eine größere Perspektive einnehmen. Wie wichtig für das Projekt EU ist denn die Roaming-Verordnung, von der wir als EU-Bürger:innen unmittelbar profitieren?
A: Also ich halte es für sehr sinnvoll, auch für den Zusammenhalt des Binnenmarktes. Und ich habe mit Kommissar Breton gemeinsam eine Initiative gestartet, dass wir auch Roaming ... für ukrainische Flüchtlinge erleichtern. Das ist uns auch geglückt. Gemeinsam haben 70 europäische Telekommunikationsfirmen Roaming in der Ukraine ausgesetzt, damit die Flüchtlinge mit ihren Familien Kontakt aufnehmen können. Und darüber hinaus haben diese Telekom-Firmen dann auch noch flexibel SIM-Karten zu günstigen Preisen zur Verfügung gestellt. Also ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Schritt. Und wir sind aber auch dabei, uns Roaming am Westbalkan anzuschauen. Da gibt es auch großes Interesse. Da bin ich auch in Verbindung mit den Staaten im Westbalkan und mit den Telekommunikationsunternehmen.

F: Die neue EU-Roaming-Verordnung wurde, wie erwähnt, beschlossen, seit 1. Juli 2022 gilt sie, und zwar für zehn Jahre – wie zukunftsfit ist sie?
A: Der Telekommunikationsmarkt ist ein sehr schnell wachsender, auch ein sehr innovativer Markt, wenn man sich das anschaut: Internet of Things, Maschine-to-Machine-Roaming. Also da gibt es sehr viele Möglichkeiten. Und da scheinen zehn Jahre ein langer Zeitraum. Aber wir haben auf Initiative des Parlaments eben die Laufzeit etwas gestaffelt. Also es muss alle drei Jahre eine große Überprüfung stattfinden. So haben wir eben dafür gesorgt, dass auch diese Roaming-Verordnung zukunftsfit bleibt. Also mit einem Wort: Wir haben in dieser ganzen Roaming-Verordnung der Kommission sehr viele neue und innovative Aufgaben übertragen.

Host: Roaming, die Kosten für die innereuropäische Kommunikation. Das kann auch symbolisch verstanden werden. Angelika Winzig, Europaabgeordnete für die ÖVP, war das. Wir haben mit ihr über die neue EU- Roaming-Verordnung gesprochen. Danke fürs Gespräch.
Winzig: Ja, ich darf mich auch herzlich verabschieden und wenn Sie im Ausland sind, denken Sie an Roaming. Es ist ein gemeinsames EU-Projekt von uns allen. Danke.

Dieser Podcast wird im Auftrag des Europäischen Parlaments produziert und kommt aus dem Podcast-Studio hoerwinkel in Wien.
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