Thema Zukunft Europa

Wohin führt der Weg? In der dritten Episode dieser Staffel rund um das Thema Ernährung blicken wir mit den beiden Europaabgeordneten Sarah Wiener und Alexander Bernhuber in die Zukunft. Die Ernährungsexpertin Angelika Kirchmair berichtet von ihren Erfahrungen.

Show Notes

Was ist unsere Vision? Die Rettung des Planeten! So David Sassoli, Präsident des Europäischen Parlaments.
In jeweils drei Episoden bündeln wir ein zentrales Thema des Green New Deal. Wir stellen Fragen: Wie ist es dazu gekommen, dass wir uns beeilen müssen, um nicht langsam von diesem Planeten geworfen zu werden? Wie ist der derzeitige Diskussionsstand in der EU? Und vor allem: Was soll nun passieren? Wir werfen einen Blick auf die Gegenwart, durchforsten Archive und sprechen mit österreichischen Europaabgeordneten.

In der vierten Staffel widmen wir uns dem Thema Ernährung. Essen muss jeder von uns. Gesund bleiben will jeder: Beides hängt eng zusammen. Wir sprechen mit der Ernährungsexpertin Angelika Kirchmair, Martin Wagner, Experte für Lebensmittelsicherheit und den Europaabgeordneten Sarah Wiener und Alexander Bernhuber.

Links:
Sarah Wiener
Alexander Bernhuber

Angelika Kirchmair
Martin Wagner

Willkommen zum Podcast des Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments in Österreich.

Creators & Guests

Composer
Peter Kollreider
Producer
Peter Kollreider
head of hoerwinkel

What is Thema Zukunft Europa?

Der offizielle Podcast des Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments in Österreich.

THEMA ZUKUNFT EUROPA
STAFFEL 04 Ernährung - EPISODE 03 Zukunft

Wir springen aus der Vergangenheit in die Gegenwart und sprechen über die Zukunft. In allen Phasen von Lebensmitteln – von der Herstellung bis zum Vertrieb – garantiert die EU heute ein hohes Sicherheitsniveau. Vorschriften sorgen dafür, dass etwa Tiere gesund gehalten werden oder Lebensmittel fachgerecht transportiert und gelagert werden. Es ist ein komplexes System, an dem Expertinnen und Experten andauernd arbeiten. Ein System, das weiter verbessert werden soll. In dieser Episode sprechen wir mit der Europaabgeordneten Sarah Wiener, Grüne, und dem Europaabgeordneten Alexander Bernhuber, ÖVP.
Es wird um drei Teil-Bereiche gehen: Um Lebensmittelkennzeichnung. Um Lebensmittelverschwendung. Und wir wollen uns auch der Biodiversität widmen, hören, warum sie wichtig ist und was das mit unserer Ernährung zu tun hat. Lassen Sie uns gleich starten mit...

Thema Eins: Lebensmittelkennzeichnung:
Woher kommt das Fleisch im Supermarktregal, woher unser Obst? Das wissen wir schon heute. Es gibt etwa ein eigenes Logo, das uns zeigt, welche Bananen von europäischen Erzeugern, also zum Beispiel von den Kanaren, stammen. Der Europaabgeordnete Alexander Bernhuber erklärt:

ALEXANDER BERNHUBER
Derzeit gibt es eine Kennzeichnungspflicht für Eier, Fisch, frisches Fleisch und frisches Obst und Gemüse, wo auf dem Etikett oben stehen muss oder auf der Verpackung oben stehen muss, aus welchem Land das Produkt kommt. Es gibt auch eine klare Regelung, dass hier nicht falsche Spiele getroffen gespielt werden dürfen mit rot-weiß-roten Fähnchen. Und dann kommt das Fleisch aus der Salami aus Tschechien, Ukraine oder sonst irgendwoher- Da gibt es bereits klare Regelungen, aber hier gibt es noch Verbesserungsbedarf. Und den fordern wir im europäischen Parlament ganz klar.
Was also soll geschehen? Die sogenannte Herkunftskennzeichnung solle weiter ausgebaut werden...

ALEXANDER BERNHUBER
...hin zu einer wirklich voll umfassenden Kennzeichnung, wo auch verarbeitete Produkte, also nicht nur das Frischfleisch, sondern auch das Tiefkühl-Schnitzerl oder der Salat in der Verpackung, der ist schon fertig zusammengestellt ... das muss klar gekennzeichnet sein, das erwartet sich der Konsument und ist auch fair zu unseren Bäuerinnen und Bauern. Dass man weiß, wo etwas produziert worden ist und ich die Chance habe zu entscheiden, will ich heute eine Tomate oder einen Tomatensalat aus Österreich haben oder einen Tomatensalat aus Spanien haben?
Auf jeden Supermarkt-Ei ist schon heute eine Nummer gedruckt, mit der man Herkunftsland und Haltungssystem feststellen kann. EU-Rechtsvorschriften stellen das sicher, ebenso das Verbot von Käfigbatterie-Haltung mit wenig Platz für Hennen. Aber woher die Eier in den Nudeln kommen, die man im Supermarkt kauft, das weiß meist nur der Produzent. Konsumentinnen und Konsumenten finden diese Information nicht zwingend auf der Verpackung. Das soll sich ändern, so Alexander Bernhuber.

ALEXANDER BERNHUBER
Das ist möglich. Die Technik ist vorhanden, dass wir das machen und da wirklich verarbeitete Lebensmittel europäisch einheitlich klar kennzeichnen, das wäre möglich. Das ist mir ein ganz großes Herzensanliegen.

Die Europaabgeordnete Sarah Wiener von den Grünen schlägt in dieselbe Kerbe: Auch sie setzt sich für eine Herkunftskennzeichnung ein. Und auch für eine weitere Kennzeichnung, die es uns Konsumentinnen und Konsumenten leichter macht, uns gesund zu ernähren.

SARAH WIENER
Die Lebensmittelkennzeichnung ist wichtig, um überhaupt dem Essenden und dem Einkaufenden irgendetwas in die Hand zu geben, was er überhaupt da isst. Da gibt es verschiedene schon freiwillige Systeme, die europaweit ausprobiert werden, zum Beispiel auch in Deutschland nur Nutriscore. Das ist ein System, das die Nährwertdichte von dem ganzen Produkt beurteilt, aber auch Salz, Zucker und Fettgehalt im Vergleich von der gleichen Produktgruppe. Also da wird dann Pizza mit Pizza verglichen oder Pudding mit Pudding und die besten in dieser, in diesem Vergleich kriegen dann einen dunkelgrünen oder einen hellgrünen Punkt. Und die, die besonders viel Zucker oder Salz haben, die kriegen dann einen roten Punkt und dann soll der Kaufende eben auf einen Blick sehen: Oh, ist nicht so gesund oder ist gesund. Im Prinzip.

Ungesunde Ernährungsweisen sind ein Hauptrisikofaktor für Krankheiten und Mortalität. Das schreibt das Europäische Parlament im Farm-to-Fork-Bericht. Raten Sie mal, wie viele Europäerinnen und Europäer übergewichtig sind? Ein Viertel, ein Drittel, die Hälfte? Ja, es ist tatsächlich die Hälfte. Daher setzt die EU unter anderem auf Aufklärung; welches System nun am sinnvollsten ist, wird noch diskutiert.

SARAH WIENER
Nutri-Score wird hoch gehandelt und ich bin sehr dafür, dass wir zumindest Nutriscore Plus machen. Also mit einem von der FAO entwickelten Label, Nova zum Beispiel. Das ist jetzt der Verarbeitungsgrad. Denn wir wissen, je stärker ein Nahrungsmittel verarbeitet ist, desto ungesünder werden wir. Das ist ganz wichtig, das wissen wir auch aus der Mikrobiom- Forschung, von aus unserem eigenen Darm und aus der Vielfalt aus unserem Darm. Das ist ein ganz, ganz wichtiges Kriterium, das zumindest kombiniert werden sollte mit Nutriscore...

...sagt Sarah Wiener. Für sie als Köchin sei es eigentlich ganz einfach: wenn möglich am besten frisch kochen, dann habe man die größte Kontrolle. Die Ernährungsexpertin Angelika Kirchmair, die wir bereits aus Episode Eins kennen, kauft ihre Lebensmittel am liebsten in der Umgebung. Aber auch in den Städten würde sie möglichst regionale Produkte bevorzugen. Wobei sie „regional“ weiter fasst, also um diese Jahreszeit auch Italien, Deutschland oder Frankreich.

ANGELIKA KIRCHMAIR
Ich glaube mit so einer verpflichtenden Herkunfts-Kennzeichnung kann man schon sehr sehr viel in in Richtung gesunde Ernährung tun, weil dann kann der Konsument entscheiden, woher oder welches Produkt aus welchem Land er haben möchte oder eben nicht haben möchte.

Thema Zwei: Lebensmittelverschwendung:
Ein EU-finanzierte Forschungsprojekt schätzt, dass jährlich rund 88 Millionen Tonnen Lebensmittel – 173 Kilogramm pro Person – verschwendet werden. Die EU hat der Lebensmittelverschwendung daher den Kampf angesagt und will die Mitgliedsstaaten dabei unterstützen. Lebensmittelverschwendung umfasst vieles. Das beginne, so die Europaabgeordnete Sarah Wiener,...

SARAH WIENER
„schon auf dem Acker, weil Kartoffeln, Karotten müssen normiert sein, müssten einer bestimmten Größe entsprechen. Und dann geht es weiter bei der Lagerfähigkeit und dann bei der Verarbeitung. Je mehr etwas bearbeitet wird, desto mehr Abfall hat man dann natürlich auch. Dann geht es weiter an die Verpackung, auch bei uns. Ja, wir kaufen irgendwelche Verpackungen, die sind entweder zu groß oder zu klein. Entweder machen wir unseren eigenen Körper zum Endlager und werden immer fetter oder wir heben es auf, um uns dann irgendwie nach zwei, drei Tagen im schlechten Gewissen in die Tonne zu treten, was aber nichts macht, weil es ja eh nichts wert ist. Das muss dringend reformiert werden und das kann man auf verschiedenen Wegen machen.

Das müssen nicht immer neue Gesetze sein. Sarah Wiener schlägt beispielsweise vor, über das Mindesthaltbarkeitsdatum aufzuklären. Klingt einfach, wäre aber sehr effektiv.

SARAH WIENER
Ganz, ganz viel landet im Müll, weil Leute denken: Oh Gott, das ist ja gestern, vorgestern, vor drei Tagen abgelaufen. Jetzt muss ich es wegschmeißen, weil sonst vergifte ich mich. Und vertrauen auch nicht mehr den eigenen Sinnen, den eigenen Geruch, den eigenen Geschmack, weil sie gar nicht mehr verbunden sind mit Lebensmittel und mit dem, wie das eigentlich schmeckt. Sie vertrauen irgendeiner Zahl mehr als ihren eigenen Sinnen und das müssen wir wieder korrigieren. Und da könnten wir auch helfen zu sagen bei bestimmten Gruppen: Hey, n Joghurt, kannste eigentlich auch noch nach drei Wochen essen. Tust es einfach aufmachen, riech, nimm ein kleines Löffelchen, schmeckt's komisch? Ist da Schimmel oder ist es noch total gut?

Vielleicht, sagt Sarah Wiener, bräuchte es auch eine andere Formulierung. Alexander Bernhuber spricht etwa von einem „Verbrauchs-Datum“ neben dem „Mindest-Haltbarkeits-Datum“. Bei dem Thema sind sich die beiden Europaabgeordneten einig. Und auch bei der Tiroler Ernährungsexpertin Angelika Kirchmair stoßen sie mit solchen Vorschlägen auf offene Ohren. Denn „mindestens haltbar bis“ bedeute ja nicht: „tödlich ab“.

ANGELIKA KIRCHMAIR
Ich unterrichte ja auch an mehreren Unis und dieses Thema ist natürlich immer dabei. Das Thema drücke ich meine Studenten immer aufs Auge. Bei den Eiern haben viele wahnsinnig Sorge, dass sie sich vergiften könnten. Aber gerade bei den Eiern ist es so, dass es eigentlich unmöglich ist, weil ein verdorbenes Ei die stinkt so bestialisch nach Schwefel. Und es schaut einfach so grausig aus. Es ist unmöglich, ein verdorbenes Ei zu essen. (...) Ich schlag das Teil auf. Schaut es gut aus, ist es gut, schaut schlecht aus, ist schlecht. Also wir haben noch Augen, hoffentlich im Kopf, in der Nase und die beiden Sinnesorgane sagen uns genießbar oder ab damit.“

Damit der Kampf gegen Lebensmittelverschwendung erfolgreich sei, so sagt der Europaabgeordnete Alexander Bernhuber, bräuchte es auch mehr Toleranz gegenüber Lebensmitteln. Da ginge es oft nur um die Optik.

ALEXANDER BERNHUBER
Man müsste lernen, dass nicht jede Karotte schnurgerade ist und alle gleich lang sind, dass mancher Apfel wieder etwas krumm sein darf und kleine Flecken haben darf, oder die Kartoffeln etwas kleine Flecken haben dürfen, etwas runzlig sein dürfen und wir hier nicht nur die perfekten Lebensmittel im Supermarkt erwarten, sondern auch die Lebensmittel kaufen und zum Verkauf angeboten werden, die auch den ein oder anderen Makel haben. So könnten wir sehr, sehr viele Lebensmittel verwenden, die wirklich geschmacklich 100 Prozent einwandfrei sind, aber nur vielleicht einen kleinen Makel äußeren Makel haben werden sie sofort, und das ist die Lebensmittelindustrie, das sind die Supermärkte, die hier so rigoros sind, da aussortieren, obwohl sie bestens schmecken und werden einfach weggeworfen. Also hier gibt es einiges zu tun. Hier gibt es das ein oder andere Programm schon. Aber prinzipiell ist hier noch sehr viel Potenzial da, auch die Lebensmittel mit dem ein oder anderen Makel im Supermarkt zum Verkauf anzubieten. Und ich bin mir sicher, dass die dann auch gekauft werden.

Bauern bekämen heute Strafzahlungen von Supermarktketten, wenn sie nicht perfekte Ware lieferten. Bernhuber sagt, hier müssten manche Supermarktketten umlernen.

ALEXANDER BERNHUBER
Ich hoffe, dass wir so etwas nicht gesetzlich regeln müssen, sondern dass hier gewisser Hausverstand herrscht. Es muss nicht für jedes sein Gesetz geben, sondern manches würde sich wirklich durch Vereinbarungen zwischen Produzenten und Lieferanten erarbeiten lassen, umsetzen lassen. Und nicht immer muss hier die Politik eingreifen. Aber sollte es hier zu keinen klaren Verbesserungen kommen, dann kann hier auch die Politik einschreiten. Es gibt jetzt schon mittlerweile das Gesetz gegen unlautere Handelspraktiken, also wenn hier Supermarktketten etwas vom Bauern wieder abbestellen, zurücksenden, weil hier manche Standards nicht eingehalten werden, obwohl das so nicht geregelt war, dann können hier auch Strafzahlungen für Supermarktketten auftreten.

Die EU hat berechnet, wie diese Verschwendung von Millionen Tonnen Lebensmitteln zum Klimawandel beiträgt: So sind Lebensmittelabfälle für circa sechs Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Regeln können das eindämmen, Aufklärung kann helfen. Aber vor allem müssten wir auch unsere Gewohnheiten ändern. Zum Beispiel in der Küche: Ein Kühlschrank hat verschiedene Temperaturzonen. Unten kalt, oben etwas wärmer. Die Ernährungsexpertin Angelika Kirchmair sagt, viele wüssten das nicht. Eine Wurst lagert man daher am besten unten, Butter eher oben. Oder Öl, das ranzig werden kann, soll man einfach einfrieren. Dann könne es kaum verderben.

ANGELIKA KIRCHMAIR
was für mich sehr erschreckend war, das ist jetzt nicht mehr so, ist es der Handel oder der Produzent den Großteil wegwirft, sondern mittlerweile der Konsument. Das heißt, wir dürfen nicht jammern, dass die Politik, die Industrie wie auch immer nichts tut, sondern wir müssen uns da selber an der Nase nehmen.

Thema Drei: Biodiversität.
Der Europaabgeordnete Alexander Bernhuber, ÖVP, war Schattenberichterstatter für den Bericht zur „EU-Biodiversitätsstrategie für 2030“. Wie passen diese beiden Strategien, Biodiversität und Farm-to-Fork zusammen?

ALEXANDER BERNHUBER
Diese beiden Strategien ergänzen sich sehr gut. Die Biodiversitäts-Strategie hat natürlich mehr den Fokus auf Erhalt von Artenschutz, Erhalt von Naturschutz in Europa, aber auch mit Zielen, die die Landwirtschaft betreffen. Also höherer Anteil an biologische Landwirtschaft, mehr Flächen für die Natur. Manche Gebiete wieder zurück. Zum Beispiel Moore wieder erschaffen. Und das ergänzt sich in vielen Bereichen noch mit der Strategie, wenn wir reden, dass zukünftig mehr biologische Lebensmittel konsumiert werden sollen.

Unsere Art der Lebensmittelerzeugung trägt eine große Mitschuld am Verlust der biologischen Vielfalt. Wir haben das bereits in Episode Eins gehört. Biodiversitäts-Verlust: Das ist so ein Wort, das man öfter hört. Meist ist es schwer fassbar. Es klingt groß, aber doch abstrakt. Am Ende geht es schlicht darum, die Natur, von der wir Teil sind, zu erhalten – weil wir sie zum Leben und Überleben brauchen.

ALEXANDER BERNHUBER
Die Verhandlungen im Europäischen Parlament dazu waren sehr schwierig und sehr auf einem sehr technischen Niveau. Wir haben sehr oft von Reduktionszielen gesprochen, großen Zahlen -- minus 20 minus 25 Prozent. Flächen ausbauen, mehr schützen, aber ohne dass wir hier wirklich über praktische Beispiele geredet haben und wie wir manche Sachen in der Praxis umsetzen können, wie es umsetzbar ist. Wir haben geredet, dass in Europa bis 2030 30 Prozent biologische Landwirtschaft auf allen Flächen sein muss, aber ohne hier klarzumachen, dass hier auch der Bio-Konsum an Lebensmitteln steigen muss. Mir ist es hier oft sehr schwierig gefallen ... beide Seiten einzubringen, also nicht nur sehr ambitionierte Ziele in Sachen Artenschutz zu setzen, sondern auch ja, wie können wir es umsetzen? Wie kann die Umsetzbarkeit funktionieren wurde nicht immer angesprochen. Aber ich glaube in Summe haben wir es doch sehr gut geschafft, einen guten Kompromiss. Ein tolles Ergebnis fraktionsübergreifend zu schaffen. Und am Ende wurde ja der Bericht mit einer wirklich großen Mehrheit angenommen.

Wissenschaftler, so ist im Bericht nachzulesen, haben fünf unmittelbare Hauptursachen für den Verlust biologischer Vielfalt hervorgehoben: 1.) die Veränderungen der Land- und Meeresnutzung, 2.) die direkte Ausbeutung von Organismen, 3.) der Klimawandel, 4.) die Umweltverschmutzung und 5.) gebietsfremde invasive Arten. Damit beschäftigt sich das Europäische Parlament. Die Europaabgeordnete Sarah Wiener von den Grünen sagt:

SARAH WIENER
Es ist sehr, sehr wichtig, dass wir unsere Vielfalt erhalten, unsere Gen-Poole, aber auch die Ketten befördern und die Seilschaften, die Netzwerke, die aufeinander aufbauen oder sich gegenseitig stärken und ergänzen. Ob das nun unterm Boden ist oder auf dem Boden ist oder in unserem Darm oder in der Luft: Wir sind umgeben von ökologischen Netzwerken und von Biodiversität. Und je mehr wir diese schädigen durch zum Beispiel erst mal ganz, ganz, ganz eindeutig natürlich durch Gifte, durch Pestizide. Ob wir sie schädigen, dadurch, dass wir Monokulturen pflegen, ob wir sie schädigen dadurch, dass wir einseitige Zuchtnormen haben und dann sehr, sehr viele resistente Nutztiere abschaffen. Und zum Beispiel, ein grauenhaftes Beispiel: Puten. Da gibt es nicht mal Mindeststandards, die können nicht mehr selber von sich aus Sex haben, weil sie so überzüchtet sind. Also was wir mit unserer Mitwelt machen ist eigentlich das Grauen. Und was wir lernen könnten ist, mehr auf die Natur zu schauen und sie zu stärken. Und wo es manchmal gibt es eben gemeinsame Ziele, zum Beispiel Pestizidreduktion. Da ist es im Einklang, sind es dieselben Ziele wie bei der Farm2fork. Aber: es ist, wie gesagt, eine Strategie. Und es wird auf die Umsetzung und auf die Gesetzgebung ankommen. Und da sind in allererster Linie die Mitgliedstaaten gefragt, die immer leider sehr gern bremsen und eigentlich die richtigen Ziele dann sehr oft verwässern, reduzieren oder dagegen aufstehen.

Der Ernährungsexpertin Angelika Kirchmair ist beim Thema Biodiversität aufgefallen – sie hat das schon in Episode Eins erwähnt, dass jüngere Menschen den etwas bitteren Geschmack mancher Pflanzen gar nicht mehr kennen und mögen. Und Kirchmaier, die früher öfters für Vorträge und Workshops an Schulen war, erzählt auch von einem Erlebnis, das ihr im Kopf blieb.

ANGELIKA KIRCHMAIR
Ich kann mich da zum Beispiel an eine Situation in einem Kindergarten erinnern. Es war Sommer, es war so eine Kindergruppe, es war so ein Sommercamp einfach. Und es war wirklich eine bunte Vielfalt an Obst und Gemüse aus der Region zu haben. Und ich habe da einen Riesenkorb mitgenommen, mit verschiedensten Obst-, Gemüsesorten, alles mögliche. Und es war kaum ein Kind drinnen, das diese Produkte gekannt hat. Dass ein Kind das nicht beim Namen nennen kann, ist ganz normal, dass ein vier-, fünfjähriges Kind nicht weiß, dass die Karotte Karotte heißt. Das kommt sehr häufig vor. Aber dass man danach den Geschmack nicht kennt. Wenn ich dann gefragt habe: Hast du so was schon einmal gegessen? Kennst du den Geschmack? Hast du sowas schon einmal gekostet? „Nein.“ Dann hofft man noch so bissl, dass die Kinder das dann wenigstens mögen, wenn sie zum Beispiel in die Kirsche hineinbeißen, aber nein. Nix. Nichts. „Das schmeckt grausig.“ Und da denkt man sich. Oh! In welcher Welt leben wir? Und dann gehst du her und gibst es Kirschjoghurt und auf einmal: Mhhhh, ist das lecker!

Liebe Hörerinnen und Hörer, Sie sehen: Ernährung ist ein weitreichendes Thema. Und es betrifft ausnahmslos alle von uns. Wir haben beides in der Hand: unsere Gesundheit und die Gesundheit unseres Planeten. Das Europäische Parlament diskutiert Wege und Strategien und trifft dann Entscheidungen, um die Lebenssituation für uns alle zu verbe

Das war sie schon, die vierte Podcast-Staffel des österreichischen Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments. Dieses Jahr haben wir uns Themen rund um den Green Deal angeschaut. Wir freuen uns auf das nächste Jahr mit Ihnen.

Dieser Podcast wird im Auftrag des Europäischen Parlaments produziert und kommt aus dem hoerwinkel. Mein Name ist Benjamin Breitegger.

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