Thema Zukunft Europa

Monika Vana beantwortet uns Fragen über die Zusammenhänge von Gleichstellung und Budgeterstellung. Zu Beginn machen wir eine kurze Kennenlern-Frage/Antwort Runde.

Show Notes

Monika Vana ist Mitglied im Ausschuss für regionale Entwicklung, im Haushaltsausschuss und im Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter. Wie diese drei Ausschüsse in ihrer Arbeit zusammenspielen, darüber reden wir gleich mit ihr. Gleich nach einer kurzen Kennenlern-Runde. Viel Vergnügen!

Monika Vana

hoerwinkel

Creators & Guests

Composer
Peter Kollreider
Producer
Peter Kollreider
head of hoerwinkel

What is Thema Zukunft Europa?

Der offizielle Podcast des Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments in Österreich.

TZE 22 - 02 - Monika Vana
Monika Vana (Grüne ) zum Thema Budget und Gleichstellung

Willkommen liebe Zuhörerinnen und Zuhörer zu unserm Podcast Thema Zukunft Europa. Wir widmen uns in jeder Folge einer oder einem österreichischem Abgeordneten und stellen Fragen zu Themen, die für die Zukunft Europas relevant sind.

Monika Vana ist Europaabgeordnete der Grünen. Sie ist Mitglied im Ausschuss für regionale Entwicklung. Außerdem sitzt Sie im Haushaltsausschuss und im Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter. Wie diese drei Ausschüsse in ihrer Arbeit zusammenspielen, darüber reden wir gleich mit ihr. Nach einer kurzen Kennenlern-Runde.

F: Gab es in ihrem Leben einen Schlüsselmoment, der Sie dazu bewogen hat Politikerin zu werden?
A: Ein Schlüsselmoment Politikerin zu werden, ist eine gute Frage, weil es so lange bei mir schon her ist, ich bin über 20 Jahre in der Politik. Es war der Wunsch nach sozialem Engagement, soziales Engagement, Frauen. Gleichstellung hat mich immer bewogen. Und da habe ich eigentlich viele Ungerechtigkeiten gesehen, auch in meinem nahen Umfeld. Und deshalb habe ich mir gedacht: Da will ich was tun.

F: Was motiviert Sie, sich für Europa zu engagieren?
A: Ich möchte mehr Europa, aber ich möchte auch ein anderes Europa. Die EU ist das Friedensprojekt nach dem Zweiten Weltkrieg und ich denke, wie wichtig auch die Einigkeit die Stärke der EU ist, zeigt sich gerade in diesen Tagen angesichts der aktuellen dramatischen Entwicklung.

F: Wie würden Sie Ihre politischen Ziele zusammenfassen, oder anders: Wie sieht Ihre EU in 20 Jahren aus?
A: In 20 Jahren möchte ich, dass die EU eine wirkliche Sozialunion ist, das ist wirklich der Kern meiner politischen Tätigkeit. Die gemeinsamen europaweiten sozialen Mindeststandards, ein Mindesteinkommen für alle zum Beispiel, ein starkes gemeinsames EU-Budget natürlich, das ist heute immer noch umstritten. Sehr viele Nationalismen, wenn es ums Geld geht. Und natürlich ein Ende der harten Sparpolitik. Und Sie sprechen mit einer Grünen. Also erwarte ich natürlich, dass dann die EU-Klimaziele erreicht sind in 20 Jahren und der Green Deal vollständig umgesetzt.

F: Und wenn wir von der Zukunft in der Vergangenheit springen, Sie zurückdenken an die vergangenen Jahre, was würden Sie als Ihren größten politischen Erfolg bisher bezeichnen?
A: Ja, ich bin ja seit 2014 Europaabgeordnete und ich denke, mein wirklich hochwertigster – ich nenne das jetzt mal so – Erfolg ist, dass ich die regionale Förderperiode, die jetzt in Kraft ist, ganz entscheidend beeinflusst hab als Verhandlungsleiterin der Grünen. Ich habe erwirkt, durch meine Anträge, dass Antidiskriminierung, Gender-Mainstreaming, the Rule Of Law abgesichert sind und zur Bedingung werden für den Erhalt von EU-Förderungen. Das ist ein, ich würde mal sagen, vielleicht stiller und leiser Erfolg. Keiner, den man groß trommelt. Aber ich war doch die, die das hinein verhandelt hat und das macht mich bis heute ein bisschen stolz.

SOUND

Damit sind wir beim Thema: Das EU-Budget wird alle sieben Jahre neu verhandelt. Im Jahr 2022 gibt die EU rund 170 Milliarden Euro aus. Man hat sich dazu verpflichtet, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern, sprich: einen gendergerechten Haushaltsplan aufzustellen. Aber was genau kann man sich darunter vorstellen? Und funktioniert das? Darüber sprechen wir jetzt mit Monika Vana.

F: Frau Vana, beginnen wir ganz von vorne: Was ist „Gender Budgeting“?
A: Gender Budgeting heißt, dass das Budget daraufhin untersucht wird, was die Folgewirkungen sind für Frauen und Männer. Also „Gender Budgeting“. Und dann diese Folgewirkungen analysiert und auch entsprechende Umverteilungs-Maßnahmen vorgenommen werden sollten. Praktisch sind wir meistens erst beim ersten und zweiten Schritt. Also Analyse. Oft werden keine Handlungsanleitungen danach umgesetzt. Aber wir arbeiten dran im Europaparlament.

F: Wo war denn bisher die größte Baustelle?
A: Ich glaube die größte Baustelle ist, dass viele gar nicht wissen, was Gender Budgeting bedeutet oder wie man es als Werkzeug einsetzen kann. Es ist oft eine leere Worthülse. Und da gilt es eben wirklich aufzuzeigen, wie leicht es eigentlich ist und welche Methoden es in Wahrheit schon gibt.

F: Wie kann man es denn als konkretes Werkzeug einsetzen? Was sind die Methoden?
A: Die Methoden sind, dass man zuerst einmal wirklich beginnt, geschlechtsspezifische Daten systematisch zu sammeln, also dass auch diese Systematik bei Gender Budgeting angewandt wird, nicht nur eine Art Freiwilligkeit, oder wie man glaubt, dass es ist, sondern sich wirklich anschaut, was sind die Schritte? Erster Schritte ist sicher, geschlechtsspezifische Daten systematisch zu sammeln. Dann gibt es auch die Methode der konkreten „Impact Assessments“ von Maßnahmen, von Kostenkategorien und ganz, ganz wichtig, nicht zu unterschätzen: Trainings und Schulungen für jene, die Budgets anwenden, die Budgets erstellen, damit die Personen auch wissen: Was ist denn Gender Budgeting überhaupt? Wie kann ich es denn anwenden? Da gibt es ganz konkrete Stufenpläne, die auch schon ausprobiert sind. Und wie gesagt, 2023 wird die Kommission auch uns eine Methodologie vorlegen.

F: Es gibt einen Index, der die Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter in der EU vergleicht, den sogenannten Gender Equality Index. Am besten schneidet Schweden ab, wenig überraschend. Was kann man denn von Schweden lernen?
A: Schweden hat sicher, um es jetzt sehr pauschal jetzt zu sagen, ein wesentlich egalitäres Rollenbild als zum Beispiel sehr konservative Mitgliedstaaten, ich zähle da zum Beispiel Österreich leider auch dazu. Was man sicher lernen kann auf EU-Ebene von Schweden, ist, dass dort sehr stark untersucht wird, welche Ungleichheiten im Land bestehen und ganz konkrete Investitionen gegen Ungleichheiten getätigt werden. Und das ist ein Thema, das uns auf EU-Ebene ja sehr stark beschäftigt.

F: Ja, bleiben wir beim Europäischen Parlament. Die Grünen haben ja 2021 einen Bericht zu Gender Budgeting im EP veröffentlicht. Was hat man untersucht? Und welcher Auftrag ergibt sich daraus für die Zukunft?
A: Also untersucht haben wir die Ausgaben des Europaparlaments unter Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen, und zwar in drei Hauptgruppen: Das waren die Members of Parliament, also die Europaabgeordneten. Das war das Personal und das waren Expertinnen und Dienstleisterinnen. Und herausgefunden haben wir, ich möchte jetzt fast sagen, den Klassiker: dass Frauen auch auf europäischer Ebene oder im Europäischen Parlament unterrepräsentiert sind. Als Abgeordnete weiß man das ja, die Zahlen, derzeit 39,5% Frauen. Aber sehr krass ist es auch beim Personal, wo wir zwar insgesamt über 50% Frauen haben, aber wenn man sich die Hierarchiestufen anschaut, die Gehaltsstufen, dann sind es zum Beispiel nur mehr 5 Prozent bei den Generalsekretären und Generaldirektorinnen oder 39 Prozent bei den Referatsleiterin. Also insofern sieht man hier das krasse Missverhältnis: Je höher eine Hierarchiestufe, desto weniger Frauen. Das kennen wir nicht nur aus dem Europaparlament natürlich, deswegen habe ich gesagt, der Klassiker. Wir haben noch sehr viel zu tun hier mehr Frauen in höhere Führungspositionen oder auch in bestimmte Berufe zu bringen.

F: Fürs Budget 2023 wird die Europäische Kommission, Sie haben’s erwähnt, eine Methode vorlegen, wie „Gender Budgeting“ umgesetzt werden kann. Was erhoffen Sie sich?
A: Ja, das Jahr 2023 ist, wie Sie gesagt haben, auch wirklich ein sehr wichtiges Jahr, weil wir da jetzt große Fortschritte am Papier gemacht haben, was Gender Budgeting betrifft. Und wir wollen jetzt wirklich mal schauen, dass wir auf allen Ebenen des Haushaltsverfahrens für 2023 dieses Gender Budgeting anwenden. Das heißt: systematische Erhebung von geschlechtsspezifischen Daten. Wir schauen uns auch an, wie hat sich die Covid-Krise auf Frauen ausgewirkt? Wie sieht es aus mit Bereichen wie geschlechtsspezifische Gewalt, sexuelle und reproduktive Gesundheit, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, aber auch Investitionen in öffentliche Dienstleistungen. Und dieser Prozess ist jetzt gerade im Entstehen. Wir sind mitten im Prozess dieser Budget-Erstellung und hoffen eben auch durch die Beharrlichkeit des Frauen-Ausschusses, dem ich angehöre, dass das Budget 2023 auch wirklich zumindest im Analyse-Stadium und im Berichts-Stadium – also: Wie wirkt sich das EU-Budget aus und wie soll sich das 23 auswirken? – auch wirklich einen großen Sprung macht im Vergleich zu früheren Budgets.

F: Inwiefern hat sich denn die Corona-Krise denn speziell auf Frauen negativ ausgewirkt? Und wie kann man hier gegensteuern?
A: Wir sehen bedauerlicherweise, dass die Corona-Krise wirklich wieder zu einem Rückfall in alte, tradierte, ja schon überwunden geglaubte Rollenbilder geführt hat. [00:16:30] Einerseits wurden Frauen wieder viel schneller aus dem Arbeitsmarkt gedrängt, sind zu Hause geblieben, sie bei den Kindern geblieben, als es Männer getan haben. Das ist statistisch nachweisbar für fast alle europäischen Länder. Dann, ich habe es schon angesprochen, sehr alarmierend: der Anstieg der häuslichen Gewalt, auch der Femizide. Und wir Grüne haben eine Studie gemacht zu den Wiederaufbau-Maßnahmen, also diese Milliardenhilfe der Europäischen Union zum Wiederaufbau Europas nach Covid, die wir ja sehr begrüßt haben. Und da sehen wir, dass Frauen und Frauensektoren – zum Beispiel Pflege, Gesundheit – vollkommen ausgeklammert wurden aus diesen Wiederaufbaumaßnahmen. Selbst die Kommission hat auf unsere Kritik hin zugegeben, dass dies vergessen wurde, weil man angeblich - Originalton - keine Zeit hatte, das einzuarbeiten. Und das muss halt wirklich in Zukunft anders werden. Hier braucht es mehr Bewusstsein und vor allem mehr Umsetzungsstärke.

Mehr Bewusstsein also für geschlechtsspezifische Unterschiede und den Willen, dieses Bewusstsein in konkrete Politik umzusetzen: Monika Vana war das, Europaabgeordnete der Grünen. Wir haben mit ihr über das EU-Budget in Hinblick auf Gleichstellung gesprochen.
Vielen Dank, Frau Vana.
Vielen Dank!!

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Dieser Podcast wird im Auftrag des Europäischen Parlaments produziert und kommt aus dem Podcast-Studio hoerwinkel in Wien.