Agile Methoden sind in aller Munde. Doch lassen sich Methoden wie Kanban oder Scrum oder die darunter liegenden Prinzipien auch zum Selbstmanagement oder für ein besseres Miteinander in der Familie nutzen?
Herzlich willkommen zum Personal Agility Podcast. Selbstorganisation privat, beruflich und für die Familie. Ich bin Simon Kleiber. Herzlich willkommen zu einer weiteren Folge des Personal LGBT Podcasts. Schön, dass Du eingeschaltet hast.
Simon:Schön, dass Du wieder dabei bist. Und heute ist es endlich mal wieder soweit. Ich hab mal wieder eine Interviewfolge am Start, wo es ja immer darum geht, Menschen, die sich mit dem Thema Agilität im im meistens beruflich beschäftigen und wo wir mal ein bisschen darüber reden, wie man denn dazu gekommen ist und was das vielleicht auch mit einem über das Berufliche hinaus gemacht hat. Ich darf heute ganz herzlich Tim Kleinen begrüßen. Er wird sich gleich noch mal ganz ausführlich feststellen, aber er ist so eine der Koryphäen, das wird er jetzt natürlich gleich nicht sagen, in Deutschland zum Thema modernes Moderne Produktentwicklung, modernes Produktmanagement oder auch agiles Produktmanagement, wie immer man das dann ausdrücken will.
Simon:Ich weiß gar nicht, wo wir uns ursprünglich mal her kennen. Wir kennen uns auf jeden Fall schon eine ganze Weile. Ich glaub, wir haben einfach sehr viele gemeinsame Bekannte und darüber ist man sich dann in der agilen Welt über den Weg gelaufen. Er ist auch ein ganz hervorragender Speaker auf die verschiedenen Konferenzen und wenn er einen Vortragslog auf einer Konferenz hat, wo ich bin, dann versuche ich auch immer an der teilzunehmen, weil da kann man immer was lernen. Erst mal herzlich willkommen, Tim.
Simon:Schön, dass Du da bist.
Tim:Hallo Simon. Ja, vielen Dank für die Einladung. Gut, dass wir hier nur 'n Audiopodcast machen. Ich bin ja schon ganz rot nach den warmen Worten, aber ja, ich bin ja auch Podcaster, von daher, ich kenne das und ich freue mich auch immer, wenn Gäste da sind. Guck mal, was wir heute draus machen, ja.
Simon:Genau, lasst uns das gleich nutzen für ein schämendes Plug, weil Tim macht auch einen ganz tollen Podcast zu dem Thema moderne oder agile Produktentwicklung, Produktmanagement, den Produktwerker Podcast. Ich pack einen Link in die Shownotes, absolute Hörempfehlungen.
Tim:Ja, jetzt in zwei Wochen haben wir Jubiläum, fünf Jahre sind wir dann am Start und heute, ich glaub, wir haben zweihundertfünfzig Folgen diese Woche draußen, ja.
Simon:Gut, magst Du 'n bisschen was zu dir erzählen? Wer bist Du? Was machst Du so beruflich? Was sollte man sonst noch über dich wissen, zu verstehen, wer Du bist?
Tim:Genau, das Wichtigste ist natürlich, ich bin Kölner, müssen wir mal anfangen. Nein, ansonsten, ja, dreiundfünfzig Jahre alt, bin hier im Rheinland relativ viel unterwegs, bin von Hause aus blöder BWLer, wie ich immer sage, also bin Diplomkaufmann, hab mal irgendwann hier in Köln BWL studiert, hab dann eben eine ganze Langeweile als im klassischen Projektmanagement gearbeitet, in der Beratung knapp elf Jahre lang, also Unternehmensberatung, vor allem im Banking Finance Umfeld und hab da so sehr viele Großkonzernstrukturen und Konzernpolitik und so was kennengelernt und dieses Number crunching in Projekten, im Projektmanagement, das war mein Ding. Damit bin ich dann gewechselt zu HRS, der Hotel Reservation Service, also der Hotelplattform Ja. Als erst als Leiter oder des Projektmanagements dort und also es war zweitausendzehn irgendwann und nach kurzer Zeit kam dann dort so ungefähr in zweitausendelf das Thema Agilität auf. Wir müssen agil werden, wir müssen Scrum machen, das machen jetzt alle et cetera.
Tim:Ich war erst mal super skeptisch, kann ich nachher noch mal 'n bisschen ausführlicher erzählen. Aber in dem Zuge haben wir das Projektmanagement, das IT Projektmanagement da tatsächlich abgeschafft, deren dessen Leiter ich war und ich bin sozusagen gebeten worden, das Produktmanagement zu übernehmen, war dann eben Head of Product für den B2C Bereich weltweit von HRS und hab dort meine Liebe zu Produktthemen gefunden, hab selber als Product Owner auch gearbeitet, aber auch Product Owner geführt und ja, hab, glaube ich, alle Fehler gemacht, die man so dann macht, wenn man versucht, Product Owner nach Scrum zu machen. Ziemlich viel falsch gemacht, glaube ich, aus heutiger Sicht. Hab mich dort nach vier Jahren habe ich da gekündigt und hab mich selbstständig gemacht. War dann noch mal irgendwann zwischendurch 'n Jahr fest bei Bayer, Bayer Business Services, hab dort auch die Product Owner Rolle letztlich eingeführt und da ja die der das große das Rad des Tankers eines Konzerns, na ja, zumindest das Lenkrad, das Steuerrad ein wenig gedreht, sagen wir's mal so.
Tim:Ja, und bin dann seit zweitausendfünfzehn habe ich mich selbstständig gemacht, wie gesagt zwischendurch noch mal Bayer, bin aber dann zwei sechzehn nach einem Jahr bei Bayer wieder raus und seitdem dauerhaft selbstständig als erst mal Agile Coach. Heutzutage nenne ich mich eher Agile Product Coach, da hat sich in der Entwicklung was getan, das kann ich gleich noch mal erzählen. Und ja, seit zweitausendneunzehn dann zusammen geschlossen mit meinen Kollegen Oliver Winter und Dominik Winter unter dem Label die Produktwerker, wie Du es eben schon genannt hast, nicht nur mit dem Podcast, sondern eben auch mit anderen Aktivitäten. Also wir unterstützen Individuen und Produktorganisationen dabei, letztlich bessere Produkte zu machen und insbesondere, Stand heute so, die die Blasen von Agilität und Produktmanagement zusammenzubringen oder die Inseln, wie auch immer man das nennt. Also kurz und dreckig sage ich immer, ich bringe Product Owner und Produktmanagement näher heutzutage.
Simon:Sehr schön, sehr schön. Und da war jetzt ja schon ganz schön viel und ich hab mir auch noch 'n paar Dinge gemerkt, wo ich nachher noch mal etwas genauer nachfragen will, Aber Du hast ja schon son bisschen gemerkt, wie erzählt ja am Anfang das Thema mit der Agilität, das war dir nicht so geheuer, ist ja auch jetzt aus meiner Praxis in Unternehmen, wenn man dort mit dem Leiter des Produktmanagement Skeptis entgegen. Das ist ja durchaus üblich und das war ja auch dann damals deine Position. Was war das damals, was dich dort gestört hat, was dich hat skeptisch werden lassen?
Tim:Ich hatte so insbesondere, glaube ich, seit zweitausendsieben, wenn ich mich recht entsinne, so die sämtliche Ausbildungen und Zertifizierungen im Projektmanagement gemacht, also hier Projektmanagement Professional nach PMI. Also das ist eine wesentlich tiefergehende und intensivere Ausbildung und Zertifizierung, würde ich behaupten, da ist alles das, was wir son Agilen haben. Da da hab ich viel, ne, Energie auch reingesteckt. Und ich hab an das ganze Projektmanagementdenken und an die PM Prozesse einfach geglaubt. Und war dann irgendwann auch so sehr tief in MS Project Server sogar drin.
Tim:Also ist dann so richtig Number crunching mit Ressourcen Histogramm, wann brauchen wir welchen Datenbank Admin oder wie viel Datenbank Admins brauchen wir im März nächsten Jahres, solche Ex Anteplanungen. Und ja, letztlich war mir zwar klar, dass wir vieles im Projektmanagement natürlich aus der hohen Hand mit der Hand am Arm gemacht haben, aber ich wusste halt son bisschen auch methodisch, wo die Haltelinien sind und hab auch in meinem Projekt, also ich hab 'n Team von Projektmanagement dort bei HRS dann auch geleitet, hab dann dort auch sozusagen eine sozusagen eine einheitliche Sprache eingeführt, eine einheitliche Methodik, PM Methodik eingeführt et cetera. Dann kam dieses Agile die Ecke und mein erster Reflex war, ja, vielleicht für so kleinere Projektchen, ne, aber jetzt hier für das große, ne, für die großen Umbauten, wir hatten dann so einige richtig große Vorhaben da vor der Brust, da brauchst Du aber doch klassisches Projektmanagement. Und ich hatte eben auch gerade aus der Beratungszeit, aus der Bankenwelt gelernt, was es heißt, in riesengroßen Projekten zu arbeiten. Also ich war spezialisiert aufs Projektmanagement Office, hatte PM Office von Projekten von zweieinhalbtausend Personen und so geleitet, also Riesenmigrationsprojekte und Post Merchant Integration Sachen.
Tim:Und mir war schon bekannt, was Change Management heißt, also im Endeffekt CR Prozesse, ne, also wenn sich irgendwas ändert im Projekt und dass das nervig war, das wusste ich schon. So, jetzt kam diese agile Idee die Ecke und ich hab mich erst mal drauf eingelassen, so ganz im Sinne von denken, fühlen, handeln, ne, agiles Mindset, das Denken, also die das kognitive Verstehen von Scrum, von der Scrum Master Rolle, von der Product Owner Rolle, auch damals schon von Kanban sehr früh, habe ich schon schnell in den Kopf gekriegt, aber ich hab's halt noch nicht so gefühlt, ne. Also die emotionale Bewertung war so, ja, ist ja ganz nett, aber ich fand das alles son bisschen zu weich, zu, na schwurbelig darf man heutzutage nicht mehr sagen, ne, aber zu zu zu esoterisch vielleicht sogar auch. Okay. Das das hat mindestens, sage ich immer, ein ein Vierteljahr gedauert, vielleicht wahrscheinlich sogar anderthalb Jahr, bis ich überhaupt eigentlich auf meiner Lernreise so richtig ernsthaft losgegangen bin.
Tim:Also ich hab recht schnell die die Ausbildung gemacht, hier Stefan Ruck von IT Agile war mein sozusagen mein erster Trainer und Mentor und in die, Du kriegst ja Scrum und so, kriegst ja schnell 'n Kopf, ne. Also Ja. Das kognitiv zu verstehen war ja nicht das Thema, aber ich sag immer, bis das sozusagen ausm Kopf bis in mein Bauch und mein Herz gewandert ist, das hat sicherlich knapp anderthalb Jahre gedauert und das sage ich auch immer, deshalb habe ich auch immer totalen Respekt davor, wenn ich solche Trainings gebe. Inzwischen mache ich so agile Grundlagentraining fast gar nicht mehr, aber ich hab totalen Respekt davor, wenn Menschen mit Agilität in Berührung kommen, dass sie erst mal gewisse Störgefühle haben, denken so, das haben wir doch früher auch gemacht, jetzt haben wir nur neue Vokabeln dafür und es ist irgendwie, plan, nur reden und so, ne. Diese Gefühlswelt bin ich selber komplett durchschritten, würde ich sagen.
Simon:Lass mich dazu noch mal kurz nachfragen. Ich ich fand das ganz spannend. Was mir reinkam in diese diese Geschichte, was Wie fand ich's denn, wo Du son bisschen auch nach dem richtigen Wort gehört hast? Ich weiß nicht, ob das bei dir so war, aber was ich eben häufig auch erlebe, mit Menschen, die in der Position sind, die in der Du damals warst, ist häufig das Thema Unterkomplex. Weil, was Du ja selber gesagt hast, dein Selbstverständnis und vielleicht auch dein Selbstwert deines Könnens war ja in diesem Bereich.
Simon:Du hast ja selber gesagt, Number Crunching, diese Riesenprojekte. Wir können die komplexesten Projektabläufe machen und genau sagen in unserer Gedankenwelt, ob das jetzt stimmt, ist jetzt aber noch mal eine andere Frage. In in in 'nem halben Jahr, wie viel Leute brauchen wir da ganz genau? Wie gut das funktioniert, ist jetzt, wissen wir ja inzwischen ganz gut, aber das ist ja son bisschen Selbstverständnis und auch son son das kann ich und das kann nicht jeder. Hat das war war das vielleicht auch gesagt, dass da dieses neue, komische Ding da auf einmal die Komplexität wegzaubern wollte, in Anführungszeichen, über dessen Die Fähigkeit, die zu handeln, Du dich in der Situation vielleicht gerade auch definiert hast?
Tim:Ja, tatsächlich muss ich sagen, dass mir damals der Begriff Komplexität, glaube ich, noch gar nicht geläufig war und mir das wahrscheinlich gar nicht so bewusst war, wann es etwas kompliziert, wann es etwas komplex, also diese Unterscheidbarkeit kannte ich noch nicht. Das war das, was mich sehr schnell eigentlich angesprochen hat, als ich mit Agilität in Berührung kam. Also hier so à la Stacy Matrix, Knesse noch nicht, da war ich noch nicht so weit. Aber was ich halt erlebt hatte, war, dass ich quasi wissenschaftlich mathematisch versucht hatte, Dinge zu zerlegen, ne, Dekompositionen, Workbreightdown Structures oder was Du sagtest, hier so Ressourcen Histogramme. Und dann hatte ich das sozusagen hergerechnet und konnte es auf den Monat genau belegen, wann wir was brauchen und ich entsinne mich an eine Situation, wo dann der Oberchef sagte, ja, super, Herr Klein, ne, sozusagen brav gemacht, toll gemacht, toll ausgerechnet, aber die Wahrheit interessiert mich nicht.
Tim:Also so mit den Worten hat er's nicht gesagt, aber so so, ja, nett, wir brauchen's aber trotzdem anders oder es muss trotzdem passen. Und ich so, ja, aber ist doch objektiv hier, dass das nicht geht, ne, weil wir haben die und die Skills nicht und so. Nee, interessiert mich nicht. Das heißt, es wurden eigentlich über dieses Wissenschaft quasi wissenschaftlich mathematisch hergeleitete letztlich drüber hinweg gegangen und das waren so die Momente, wo ich dachte, also so ganz funktioniert das mit dem Klassenprojektmanagement natürlich auch nicht. Und das Zweite war, dass ich, ja, eigentlich über Erfahrungen gelernt habe.
Tim:Also das so würde ich vielleicht sagen. Ich hab mich drauf eingelassen, weil es auch 'n ganz klaren Call in dem Unternehmen gab, wir machen das jetzt so. Also es wurde Agilität per Command und Control eingeführt, wenn man so will. Manchmal gar nicht die schlechteste Idee, muss ich inzwischen sagen, weil ich hab mich dann halt einfach mal drauf eingelassen und vielleicht am Anfang mit der Faust in der Tasche und hab dann aber so kleine Erweckungserlebnisse gehabt, zum Beispiel mit Retrospektiven. Daran erinnere ich mich noch sehr gut, dass ich das komplett falsch eingeschätzt hab.
Tim:Also als ich dann über Retrospektiven am Anfang gelernt hab, war das so, ach ja, das ist ja wie im Projektmanagementprozess, Projektabschluss, bla bla bla. Ich weiß nicht mehr genau, wie der Projekt der Prozessname heißt. Da machen wir einen, wie ich Nato nannte man das Lessons Learned. Lessons Learned am Ende, genau, Postmoutium Lessons Learned. Und dann, ja, das machen wir ja auch.
Tim:So und dann, na ja, wenn ich dann mich ehrlich gemacht hab, war das so, ja, das machen wir natürlich nicht bei jedem Projekt. Und wenn wir's machen, schreiben wir ja eigentlich auch nicht immer was auf dazu und und wenn wir denn mal was aufschreiben, dann heißt das ja noch lange nicht, dass wir uns dann beim nächsten Projekt dran halten, weil das ist ja dann wieder eine komplette andere Personenkonstellation et cetera. Das heißt, tatsächlich machen wir am Ende, ganz am Ende eines Projektes einen solche Lessons Learned und selbst in neuen Projekten halten wir uns so gut wie gar nicht da dran. Und als dann, ich sage jetzt mal gefühlt nach zehn, fünfzehn Retrospektiven in dem Dreh, das Team plötzlich selbstständig auf Probleme gekommen ist oder auf Lösungen vielmehr sogar noch, die, die auch mich betrafen, also ich war ja auch Teil des Problems in diesem Prozess und wunderbare Lösungen kreiert hat, lass uns das doch mal so ausprobieren et cetera. Also es ging drum, dass ich dies die User Stories nicht gut genug geschrieben hatte oder keine Zeit hatte dafür und dann hat das Team da den Prozess Prozess selbst in die Hand genommen, so als ein kleines Beispiel und oder für mich war es 'n großes Beispiel, weil ich hab die Kraft von Retrospektiven halt plötzlich gespürt.
Tim:Und auch das Thema Review, ich glaub, das habe ich sehr lange Jahre erst mal falsch gemacht, Sprint Review, also habe ich eher auch Anfang so gelernt, als wenn es nur sone Art Demonstration und Vorstellen ist und der würde sich zurücklehnen wie im Kinosessel. Als ich dann das verstanden habe, als sie wirklich aktive Feedback schleife und als quasi eher als Workshop, das Produkt auszuprobieren et cetera und nicht das Team als PO zu verteidigen oder so oder zu erklären, warum es was nicht geschafft hat. Als ich die die Kraft von einem Sprint Review für einen Product Owner gespürt habe, nicht verstanden, sondern gespürt habe. Ich glaub, das ist son Empfinden. Das waren für mich so Erlebnisse und natürlich 'n gut gemachtes Daily Scrum.
Tim:Also ich glaube, in 'nem Daily Stand up Daily Scrum, das kann ganz viel kaputtmachen, weil ganz viel Push und Command und Control da drin stecken kann oder meistens steckt, ne, nach dem Motto, warst Du gestern brav? Was hast Du gestern gemacht? Und dann sagt jeder, ne, mich interessiert nicht, was der Detlef aus meinem Team gestern gemacht hat, weil kein crossfunktionales Team und so. Also Sachen, also diese Komponenten aus cross Funktionalität, aus wirklich gewinnbringender Kommunikation, in so Stand ups, das hat mir dann irgendwann so die Augen geöffnet und deshalb hat das alles eine Weile gedauert, dass ich den Sinn und Zweck so erkannt habe.
Simon:Hat sich dann auch deine Meinung dazu geändert, ob das Agile eher was fürs Kleine oder fürs Große ist, geändert?
Tim:Absolut, also ich hab relativ schnell dann natürlich auch so Sachen gehört, ja, selbst SAP macht in ihren Großprojekten agiles Vorgehen oder damals zumindest, ich weiß nicht, wie's heute ist und also, echt jetzt? Und und ach so, ja, was ich eigentlich auch gemerkt habe, dass in dem Großprojekt, was wir zuvor noch quasi klassisch gemacht hatten, das war hochkomplex, kann man sagen, weil dann eine Alt Anwendung, eine große, sehr, sehr wichtige Altanwendung, umgestrickt wurde und komplett neu gebaut wurde. Zweiundvierzig Leute waren da, glaube ich, in meinem Projektteam, also war schon was Größeres. Da haben wir mit etwas gearbeitet, was ich dann später als Sprint Review bezeichnen würde, ne. Wir hatten den Namen noch nicht, aber wir haben Schulterblicktermine genannt.
Tim:Alle zwei Wochen sogar, oh Wunder und keine, wirklich, wir hatten keine Ahnung von Scrum, aber wir haben zwar alle zwei Wochen Schulterblicktermin gemacht und haben zusammen mit den Entwicklern drauf geguckt und überlegt, wie wir weitermachen, weil es weil uns ja im Code so viel Kram die Ohren geflogen war im alten Code, dass wir darauf immer reagieren mussten. Und das konnte ich dann plötzlich verbinden. Das konnte ich dann plötzlich mit Methodik oder mit, ne, Scrum Events verknüpfen und ja, mit agilen Prinzipien belegen und da hat sich so für mich son Puzzle zusammengesetzt. Cool
Simon:und dann hast Du ja gesagt, Du hast dann erst gesagt, ich bin 'n agiler Coach, hast gesagt, Du hast doch dann auch viel agile Grundlagen gesagt und Du hast, es hat sich dann noch 'n bisschen verändert, dass Du da noch stärker auf das Thema Product gegangen bist, was man ja im Moment inzwischen ja auch mit dir verbindet. Der Name eurer Firma legt's natürlich auch nahe. Was was hat da den Anstoß gegeben?
Tim:Ich glaub, ganz initial war es so, dass ich immer ein als Projektmanager noch ein sehr inhaltlich interessierter Projektmanager war, also nicht rein prozessual. Und also ich hab mich die Fachlichkeit, das, heute würde man sagen, das Problemverständnis und so auch sehr stark gekümmert. Und dementsprechend war es für mich klar, wenn ich in die Produktorganisation wechsle, dann gucke ich aus 'ner Rolle da drauf und nicht aus 'ner Scrum Master- oder Agile Coach Rolle. Das heißt, faktisch war ich nie aktiv in 'ner Scrum Master Verantwortlichkeit. Perverserweise habe ich aber in meinem Team auch Scrum Master geführt als Head of, also es war, na gut, wir sind als, ne, mit der gesamten Produkt mit der gesamten Projektmanagement Truppe in die Produktorganisation gegangen und die Leute konnten oder wir haben dann überlegt, wer wird PO, wer wird Scrum Master und nicht noch mehr Change zu machen, hingen sie dann erst mal bei mir als Führungskraft noch.
Tim:So, ich hab also dann tatsächlich, das war 'n wichtiger Schritt, ich sagen wir mal so, ich wollte erst gar nicht in die Produktorganisation, aber ich fand Projektmanagement ja viel besser, weil tatsächlich wurde das Produktmanagement bei uns in der Firma auch nicht besonders dolle gemacht, muss man sagen, ne, und ich empfand das erst son bisschen als Abstieg. Und als ich's dann aber mal gelernt und gemacht habe und mit Zahlen auch gearbeitet habe, das ist in soner hochdynamischen E-Commerce-Umgebung wie soner Riesenplattform. Wir hatten, weiß ich nicht, elf, zwölf Millionen Uniquevisitor im Monat, also richtig Dampf auf auf der Leitung. Das war spannend, ne. Man war nah dran, man war sehr marketingnah dran.
Tim:Wir haben die ersten, weiß ich nicht, sehr viel so Onlinemarketingsachen damals schon gemacht vor, also lass es, ne, wie vor jetzt zwölf Jahren gewesen sein oder so. Das das war Hot Shit, ne, so. Und das hat Spaß gemacht zu sehen, wie sich bei der Warenkorb Wert ändert, wie sich Conversion Rates ändern, wie ich eine Funnelanalyse machen und machen kann. Und das heißt, ich hab mal eine Begeisterung für Produkt gefunden und ja, wie soll ich sagen? Das war für mich dann klar, als ich HS verließ, dass ich in 'ner Produktrolle bleiben wollen würde und eher durch 'n Zufall hat sich dann ergeben, dass ich in selbst, also als Freiberufler 'n Projektauftrag kriegte zum Coaching von Product Ownern.
Tim:Also ich hatte damals schon eben mich immer intensiver mit der Product Owner, damals sagte man ja noch Rolle, auseinandergesetzt und hab dann eben bei 'ner großen E-Commerce-Organisation, also kann man heutzutage auch sagen, die gibt's so nicht mehr bei AVATO Consumer Products, den Esprit Shop oder die Produktmanager von Esprit begleitet im Rahmen einer agilen Transformation mit 'nem anderen Azure Coach, der eben eher auf der gesamtprozessualen Ebene war, war mein Steckenpferd eben die Produktmenschen da zu begleiten.
Simon:Mhm.
Tim:Und ab zweitausendfünfzehn und daraus hat sich dann eben so ergeben, nachdem ich dann bei Bayer raus war, dass ich, ab zweitausendsechzehn war das, Mitte zwei sechzehn, mich drauf fokussiert habe, Coaching von Product Ownern. Also ich hab mich sehr früh zusammen mit dem Oliver Winter damals auch, den ich hier in der agilen Szene in Köln kennengelernt hatte, also sehr fiese bei den Kölner Scrum Tischen ist sehr viel passiert. Wir haben einfach definiert, wir sind Coaches für Product Owner, weil es gab ganz viele Coaches für Scrum Master oder es gab Scrum Master, es gab Coaches für die Teams, die ersten Azure Leadership Sachen kamen auf, aber die Product Owner hatte sich halt quasi nie jemand gekümmert und deshalb haben wir uns faktisch in diese Nische, gerade die deutschsprachige Nische, reingesetzt und gesagt
Simon:Was ja immer noch eine Nische Was was ja auch immer noch eine Nische ist vom vom Anbietermarkt her und ein immer stärker gefragtes Thema. Also, es scheint so alles richtig gemacht.
Tim:Und tatsächlich, was es ja bis heute zu beobachten gilt, dass in der agilen Blase, also in, oder ich spreche manchmal auch von der von den Inseln auf der agilen Insel, in der agilen Szene, sagen wir es mal so, wird verdammt wenig über Produktthemen geredet. Deshalb hatten sich Dominik Oliver und ich zusammengefunden, weil wir so gerade auf Azure Cologne und Scrum Tischen und so immer wieder die offensichtlich mehr oder minder die einzigen waren, die Produktthemen hochgehalten haben oder PO Themen hochgehalten. Und das ist bis heute ja noch ziemlich unterbelichtet in der agilen Szene. Man sieht das auch, wenn wir uns auf Konferenzen treffen, ne, wie viel produktrelevante Talks gibt's da oder Sessions? Relativ wenig im Vergleich zu, weiß ich nicht, Coaching, Leadership, New Work, bla bla bla.
Tim:So und da haben wir uns reingesetzt. Interessanterweise gibt es auf der Insel des Produktmanagements, wie ich inzwischen festgestellt habe, also seit einigen Jahren bin ich auch in der Produktmanagementszene aktiv, gibt's erschreckend wenig Ahnung von Agilität.
Simon:Mhm.
Tim:Und inzwischen sehe ich mich oder sehen wir uns so als Brückenbauer, das ganze Thema Produktmanagement eher stärker in die agile Szene reinzutragen. Und das gelingt uns, ich glaube, immer besser, auch wenn es bleibt, weiter eine Nische bleibt, ja. Aber ich darf sagen, gerade auch in den aktuellen Zeiten ist das eine sehr angenehme Nische, also in den aktuellen wirtschaftlichen Zeiten, weil wir nach wie vor eine super Nachfrage haben für die Themen. Also gerade so das ganze Halbthema oder ist das Halbthema. Das jetzt wichtige Thema wertorientierte Entwicklung, ne, Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von Produktenscheidungen et cetera, wird immer wichtiger.
Tim:Und das möchte ich noch dazu sagen, von Anbeginn an betreibe ich Agilität aus 'ner Businessperspektive. Da schlägt dann doch mein Wähler Herzchen durch, weil ich sagen muss, ich mach das ganze Thema Agilität nicht aus Selbstzweck heraus, ne, damit's uns allen gut geht und wir Spaß haben. Das ist auch wichtig, aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass agile Produktentwicklung dazu beiträgt, dass wir bessere, erfolgreichere, nutzbarere Produkte und Services damit kreieren können in komplexen Umfeldern, ja? Und das muss man natürlich immer überlegen, wo setze ich's ein? Da passiert ja auch viel falsch.
Tim:So, das heißt, ich guck mir das rein aus der wirtschaftlichen Betrachtung die ganze Zeit schon an und das spielt da spielt natürlich die makroökonomische Situation gerade uns ehrlich gesagt ziemlich in die Hände, ne, weil das Thema ist natürlich hot.
Simon:Sehr cool. Dann lass uns mal den Schwenk hinbekommen zum vom Business, auch wenn ich dir da natürlich vollkommen zustimme, dass das kein Selbstzweck sein kann, zum Privaten. Und jetzt ist ja Agilität besteht ja auch, wenn man das wenn man das Rauschen im im Walde sich anhört, manchmal denken könnte, nicht in erster Linie aus Methoden oder agilen Produkten, also nicht im Sinne von wirklichen Produkten, sondern von verkauf baren Konzepten, sondern das basiert ja auf ziemlich grundlegenden Prinzipien. Und jetzt würde mich mal interessieren, welches dieser agilen Prinzipien oder agilen Wirkfaktoren, die es gibt, hat am ehesten den Weg in dein Denken über das Business hinausgebracht und damit eben auch in eine gewisse Weise auch in dein Privatleben?
Tim:Also, was ich nicht mache, sind wirklich Elemente aus 'nem Framework wie Scrum zum Beispiel zu übernehmen. Also ich mach keine retrospektiven, paar retrospektiven, Jahres retrospektiven oder so. Ich mach keine, privat keine Stand ups mit der Familie oder sonst was, ne. Also diese Ereignisse und Artefakte nutze ich nicht, auch jetzt keine Backlogs oder so. Manchmal frage ich mich, warum ich das nicht tue, aber das ist so nicht meins, das ist nicht mein Arbeitsstil.
Tim:Was ich, glaube ich, eher verinnerlicht habe, sind Dinge auf der Werte- und der Prinzipienebene. Also ich bin, das mag vielleicht überraschen, ich bin kein so changeaffiner Mensch eigentlich. Also ich merke immer wieder, wenn es 'n kurzfristigen Change gibt, irgendwas hat man sich vorgenommen, irgendwas ist geplant, meinetwegen Urlaub oder 'n Vorhaben und das klappt dann nicht aus irgend 'nem Grund, das fällt mir schon schwer. Also ich hab aber reflektiert dazu und weiß inzwischen, okay, ich muss dann eine Nacht darüber schlafen. Also so in dem Moment so sofort so, ne, das ist es immer noch nicht für mich, aber ich kann das kognitiv eigentlich übersteuern, dann meine Nacht drüber schlafen und dann kann ich mich komplett drauf einlassen.
Tim:Und dieses, ne, agile Prinzip Welcome Change, Even late kann ich mir kognitiv heranziehen, so kann man sagen. Das zweite Thema ist das ganze Thema Mut und Experimente. Also ich glaube, da kommt es 'n bisschen stärker, kommt da die Produktentwicklungsecke rein, dass ich eben viel stärker hypothesenbasiert eigentlich denke und oder annahmenbasiert denke und weg bin von diesem, ich weiß was oder wir wissen, was gut für uns ist, was gut für mich ist, sondern eher auch so vom eigenen geistigen Auge dann formuliere, ich glaube das Punkt Punkt Punkt. Ich muss es mal ausprobieren und sicherlich, ne, Scrum wär's Mut oder Gila wär's mutiger geworden, bin direkt mal Dinge auszuprobieren. Das könnte man mit Growth Mindset oder so sicherlich auch umschreiben, dann zu merken, tun wir das gut, tun wir es nicht gut, et cetera.
Tim:Was anderes ist der Wert Commitment, also auf Deutsch Selbstverpflichtung. Ich glaube, der war bei mir vorher schon sehr, sehr stark ausgeprägt, aber den habe ich, ich glaub, das hat sich noch mal verstärkt durch die, durch meine agile, ja, Umgebung oder durch meinen agilen Denkansatz. Also eine Zusage einzuhalten, ist mir hochgradig wichtig oder anders, wenn ich das auch im Privaten nicht schaffe, leide ich da selbst am meisten drunter. Und da geisel ich mich fast schon für, ne, so und umgekehrt ist es eben auch, dass ich schwer enttäuscht bin, wenn andere Commitments nicht einhalten, ne. Es gibt immer gute Gründe, dann ist völlig okay, kann man über alles reden, offene Kommunikation, Dinge können sich ändern, aber wenn das unausgesprochen passiert und jemand sich an irgend eine Vereinbarung nicht hält oder so, da gehe ich schon 'n bisschen steil innerlich.
Tim:Das ist so das Thema Werte, wo ich, glaube ich, wenig von übernommen habe nach wie vor leider ist das Thema Fokus.
Simon:Ich
Tim:glaube, da leiden wir viele drunter, aber ich bin auch nicht gerade der fokussierteste Mensch. Ich bin, ich glaube, ich bin ziemlich umsetzungsstark und auch weitestgehend strukturiert in vielen Dingen oder strukturiert genug, würde ich mal sagen, Dinge umzusetzen und und hab da 'n gewissen Biss auch in auch in privaten Sachen. Aber dass ich selber der König vom Fokus bin, nein, wahrscheinlich nicht, auch wenn ich das viel propagiere in Trainings oder so.
Simon:Hat sich dein Umgang mit Ungewissheit geändert, vielleicht auch dein Planungshorizont für deine eigene Lebensplanung geändert?
Tim:Ja, witzigerweise mache ich aber nicht so was wie eine Produktvision oder, also, Produktvision für mich selbst. Wir haben, also der der Dominik von uns, Dominik Winter, da haben wir auch eine Podcastfolge von, die könnten wir vielleicht verlinken, sei dein, hat son son Format, sei dein eigenes Produkt.
Simon:Dann lass mich mal kurz reinreden, weil das genau meine nächste Frage gewesen wär. Es gibt ja so aus dem Strategicizer Universum auch dieses Business Model You Buch. Ich weiß nicht, ob
Tim:Du das kennst.
Simon:Ja, ja. Das wäre nämlich meine nächste Frage, siehst Du dich selbst als ein Produkt, das es zu managen gilt?
Tim:Sehe ich persönlich nicht. Also ich finde den Ansatz total spannend und wie gesagt, der Dominik bei uns ist da der Experte drauf und wie er es erklärt und wie er damit, also er wendet das auch selber komplett an, finde ich total spannend. Nee, aber es ist bei mir nicht so. Also wenn mich jetzt zum Beispiel jemanden fragen würde, was machst Du in drei Jahren, also privat, beruflich, sonst was, oder fünf Jahre, wo willst Du hin, was ist dein Kompass, was ist deine Vision, sage ich eigentlich inzwischen immer, weiß ich nicht, weil wenn ich alleine meinen eigenen Change sehe zwischen, also von dem damaligen Projektmanagement zum Produktmanagement, auch wenn das jetzt das Berufliche betrifft, oder auch jetzt, ja, vor drei Jahren irgendwie Trennungsscheidung et cetera, es kommen halt Änderungen im Leben, die sind nicht alle vorhersehbar oder sie sind nicht planbar Und dementsprechend scheue ich mich davor, eigentlich so langfristige drei Jahre, fünf Jahre, zehn Jahre Pläne in meinem Leben Einzug erhalten zu lassen. Aber ich hab für mich erkannt, dass ich gewisse Prinzipien für mich postuliere und sage immer, wenn ich jetzt mal wieder 'n Stück weit auf die Arbeit beziehe, ich weiß nicht, was ich machen werde in drei Jahren, in fünf Jahren.
Tim:Ich weiß aber, dass ich mit Menschen zusammen arbeiten werde und ich weiß, dass ich Spaß haben werde bei der Arbeit, ne, weil ich auch Jobs gemacht habe, die nicht so viel Spaß machen. Das heißt, ich gucke eher auf Prinzipien als, wenn man so will, als Entscheidungs Framework, so wie man Produktprinzipien auch einsetzt. Das das ist schon was, was ich mir übernommen habe, aber letztlich halte ich mir auch auch im Privaten eben viel Raum für Opportunities offen, ne, für Möglichkeiten, die sich für Chancen, die sich ergeben können.
Simon:Und Und wartest schon immer so, ist das Teil deiner Persönlichkeit? Also, wenn ich jetzt mir auf der anderen Seite anhöre, in deiner früheren Projektmanagementzeit hast Du immer versucht, möglichst lange die Planungshorizonte im Beruflichen auszumachen. War da dann die Divergenz, dass Du dann auch damals die die ausgefeilten Lebenspläne für deine deine Zukunft, deine Karriere gemacht hast oder war das schon immer eher so Teil von dir?
Tim:Ja, ich glaube, das ist 'n bisschen eine, fast schon eine Generationenthematik. Also, als, ich glaube, wir wurden Generation Golf oder so genannt, ne. Wenn man dann so jugendlich war in den Achtzigern oder zur Schule gegangen ist in Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger habe ich Abi gemacht, da war so dieses, was willst Du werden, was willst Du machen, studier das, dann wirst Du das und ne. Also jetzt, ich will nicht sagen, dass ich deshalb BWL studiert habe, aber 'n gewissen Einfluss mag das auch gehabt haben, weil man sich dann viele Optionen offen gehalten hat und dies und jenes. Hat man auch Spaß gemacht, das schon, zumindest am Anfang.
Tim:Aber es war, glaube ich, eine eine Generation und eine Erziehung eine einer Leistungsgesellschaft und gewisser Weise auch 'ner Ellbogengesellschaft und man musste, ne, an der richtigen Uni studieren. Man musste bei den richtigen Professoren das Examen machen und so weiter und so fort. Also völliger Bullshit aus heutiger Sicht. Und das hat sich, glaube ich, verändert, dass ich oder dann auch in der in der Beratung, ich hab sehr lange studiert, dementsprechend bin ich sehr spät erst in die Beratung eingestiegen und hatte immer so dieses Gefühl, ich muss aufholen, ich muss nachholen, die anderen sind viel jünger und ich muss, ne, hier Karriereweg, Upper out und son Scheiß. Das gab's schon.
Tim:Ich hatte jetzt nicht den langen persönlichen Planungs, Lebensplanung, Lebensplan mit Hauskinder und so weiter, das nicht. Aber ich glaube, ich hab in Summe 'n anderes Verhältnis zur Veränderung, zu Change bekommen.
Simon:Ich hab zum Abschluss noch einen Aspekt, der der ganz am Anfang in deiner ersten Vorstellung aufkam, den ich gerne noch mal ganz kurz beleuchten würde. 'N wichtiges Wirkprinzip in der Agilität ist ja auch und Du hättest hast das ja auch mit den Retrospektiven gesagt, ist ja diese kontinuierliche Verbesserung. Und ich beobachte das bei mir selbst und ich hab das bei dir auch wahrgenommen und nehm das bei vielen Kolleginnen und Kollegen wahr oder anderen Menschen, die sich mit solchen Themen auseinandersetzen, dass man, wenn man sich darauf einlässt, doch eine enorme Lernreise macht, die auch nicht aufhört. Und Du hast es ja selber so gesagt, ja, ich hab dann da so als Product ohne so sämtliche Fehler gemacht, die man hätte machen können, so in der in der Posterkenntnis. Das ist ja auf der einen Seite schön, dass man sagt, oh cool, ich hab hier was gelernt, ich bin weiter.
Simon:Auf der anderen Seite kann das ja auch zu sonem Gefühl führen, ich hab eigentlich alles in der Vergangenheit falsch gemacht, weil ich jetzt bei allem viel besser wüsste, wie es gehen würde. Hast Du dieses Thema und wenn ja, wie gehst Du damit
Tim:Also tatsächlich in dem Kontext fällt mir dann immer Duning Kruger Duning Kruger Effekt ein und der Mount, Top of Mount stupid und so. Ich glaube, das war für mich zum Beispiel prägend, diese Erkenntnis zu haben, ne, zu zu wissen, dass man nie fertig ist auf seiner Lernreise, aber, und bis heute sehe ich mich auf einer Lernreise und lerne täglich jährlich dazu, trotzdem habe ich niemals eigentlich das Gefühl gehabt, oh, was habe ich damals alles falsch gemacht, im negativen Sinne, sondern eher im positiven Sinne, das waren wichtige Erfahrungen, die mich auf dem Weg hierhin begleitet haben oder gebracht haben. Also am Rande gesagt zum Beispiel, viele reden ja von Fehlerkulturen, ne, auch in Unternehmen. Wir müssen Fehlerkultur ändern und so. Ich mag den Begriff gar nicht mehr.
Tim:Ich mag den Begriff eigentlich immer ersetzen durch Lernkultur. Wir brauchen eine neue Lernkultur und das sehe ich für mich auch. Also ich mach nicht Fehler, ich mach Erfahrungen, wenn man so will. Also ich mach auch Fehler, aber kein Mensch will Fehler machen, deshalb finde ich den Begriff Fehlerkultur so so doof. Und ich ich sehe es manchmal eher so, dass ich bestimmte Sachen, zum Beispiel jetzt meine Zeit, meine Jahre in der Beratung, ich hab die einfach zu lange gemacht, das Jahr, ne.
Tim:Also ich hätte früher mal wechseln sollen, das Unternehmen wechseln sollen und da habe ich son bisschen Zeit verloren auf meiner Lernreise. Das vielleicht schon, weil ich eher dann Lernstillstand hatte, glaube ich retrospektiv betrachte, gerade in der Projektmanagementzeit. Die HS Zeit und auch Bayer Zeit, die war dann so dynamisch oder auch die Selbstständigkeit, dass sich da immer wieder schnell was Neues ergab und so sehe ich das heute eigentlich, dass ich keine dieser Erfahrungen missen möchte, auch die Privaten nicht, ja, also auch Beziehung, Ehe, et cetera, auch wenn sie auseinandergegangen ist, wertschätze ich zutiefst und weil mich diese Erfahrung dahin gebracht haben, wo ich heute bin und auf den Punkt meiner Lernreise oder meiner Erfahrungsreise und von dort geht's weiter und das von daher, nö, ein so son Groll oder so habe ich das jetzt in der Frage verstanden, nach dem Motto, ein Bereuen oder so, überhaupt nicht. Ja, vielleicht noch ein Add on, vielleicht fällt mir gerade ein. Was ich wirklich im Privaten komplett anders mache inzwischen, wenn ich so durch die Welt laufe und Produkte oder Konzepte oder Services sehe.
Tim:Ich guck immer mit dieser Produktbrille drauf, ne. Ich kann nicht, also ich weiß nicht, ich war jetzt letzte Woche in 'nem neuen Restaurant hier in der Straße, irgendwie so was ganz Spezielles, japanisches Barbecue und ich sitz dann da und bei mir rattern so die Produktmanagementprozesse durch und welche Risiken gibt's hier und wie macht er das, wie macht er das? Also das habe ich so privat auch in den Kleidern hängen, dass ich alles so aus 'ner Produktentwicklung-, Produktmanagementbrille betrachte, das vielleicht noch 'n als Nachklapp.
Simon:Und und macht das dein Leben reicher oder hindert es dich manchmal, das Leben einfach zu genießen?
Tim:Manchmal nervt es, das ist schon richtig, dass man sich nicht komplett drauf einlassen kann, aber ich find das spannend, das sone Art Knobel, ne, sozusagen zu denken, so, warum funktioniert der Laden hier nicht oder warum funktioniert das Produkt? Also ich geh dir das nicht so, wenn man irgendwie 'n Produkt in der Hand kriegt, egal ob haptisch oder son Service und denkt so, oh, die könnten doch so viel erfolgreicher sein. Also nehmen wir mal irgend son Restaurant, wenn sie nur das und das und das besser machen würden, aber so spricht mich mich das nicht an oder ich hab immer son schönes Beispiel auch in meinen Vorträgen. Wir hatten neben unserem Büro damals sone neue Truppe, die sich 'n neues Restaurant und also eigentlich eine Kneipe mit aber hochklassiger Küche, Wiener Schnitzel für vierunddreißig Euro fünfzig, so in 'ner Gegend, wo das eher teuer ist und dann aber 'n Schild da drunter unter der Karte, leider keine Kartenzahlung möglich. Und ich denke, weißt Du, Simon, wenn wir zwei Schnitzel essen gehen würden jetzt heute Abend und trinken wir auch was dabei, vierunddreißig Euro fünfzig mal zwei Getränke, also brauchen wir hundert, hundertzwanzig Euro, hab ich als Bargeld in der Regel nicht mehr dabei.
Tim:Ja. So, was schlägt zu? Das Produkt Risiko Usable Risk. Also, denke so, Alter, ihr könnt noch son geiles Schnitzel braten, wenn ihr das Problem mit der, ne, mit der mit der, ne, digitalen Zahlung, also Kartenzahlung nicht in Griff kriegt, dann wird dieses Produkt niemals erfolgreich sein und damit euer Laden. Also solche Sachen sind das, ne, dass ich so denke, so Usability Fragen auch, ne, so, oh, warum ist das hier?
Tim:Da kannst Du ja in jeder digitalen Kaffeemaschine sehen und dich schon aufregen, wie UX Prozesse, wie UI Prozesse doof sind, ne.
Simon:Ja. Ja, das kann ich sehr gut nachvollziehen und ich muss wirklich sagen, da ist, bei mir ist das Thema Produktentwicklung ja in den letzten Jahren auch stärker dazugekommen. Da lädt das noch deutlich mehr zu Alltagshide Checking ein als die die rein agilen Prozesse. Von daher, ja, ganz spannender Einblick. Herzlichen Dank, dass Du da warst.
Simon:Danke für die spannenden Einblicke. Ich glaube, da konnten wir alle 'n bisschen was von mitnehmen und haben auch Futter zum selber drüber Nachdenken mitnehmen können. Herzlichen Dank. Danke für auch fürs Zuhören. Ich freu mich aufs nächste Mal, dann gehen wir son bisschen in unseren traditionellen Jahreswechsel über.
Simon:Ich würd mich freuen, wenn Du wieder dabei bist. Wir hören uns bald wieder.