Thema Zukunft Europa

Wir stellen dem Europaabgeordneten Andreas Schieder die Frage, wie die EU der Einmischung und Desinformation aus dem Ausland begegnen will. Zu Beginn machen wir eine kurze-Frage/kurze Antwort Runde.

Show Notes

Wir widmen uns in jeder Folge einer oder einem österreichischem Abgeordneten und stellen Fragen zu Themen, die für die Zukunft Europas relevant sind.
Anlässlich des Kriegs, den Russlands gegen die Ukraine führt, sprechen wir diesmal mit Andreas Schieder. Der Europaabgeordnete der SPÖ sitzt im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments. Und: Er beschäftigte sich in einem Sonderausschuss u.a. mit dem Thema Desinformation. Zu Beginn machen wir eine kurze-Frage/kurze Antwort Runde. Viel Vergnügen!

Creators & Guests

Composer
Peter Kollreider
Producer
Peter Kollreider
head of hoerwinkel

What is Thema Zukunft Europa?

Der offizielle Podcast des Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments in Österreich.

TZE 22 - 03 - Andreas Schieder
Andreas Schieder (SPÖ) über Desinformation

Willkommen liebe Zuhörerinnen und Zuhörer zu unserm Podcast Thema Zukunft Europa. Wir widmen uns in jeder Folge einer oder einem österreichischem Abgeordneten und stellen Fragen zu Themen, die für die Zukunft Europas relevant sind.
Anlässlich des Kriegs, den Russlands gegen die Ukraine führt, sprechen wir diesmal mit Andreas Schieder. Der Europaabgeordnete der SPÖ sitzt im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments. Und: Er beschäftigte sich in einem Sonderausschuss u.a. mit dem Thema Desinformation. Darüber unterhalten wir uns gleich mit ihm, davor wollen wir ihn kurz kennenlernen.

F: Herr Schieder, warum sind Sie Politiker geworden?
A: Das hat eigentlich insofern früh begonnen, als dass ich draufgekommen bin, dass wenn man Zustände verändern will, dann muss man auch bereit sein, sich einzumischen und dann rutscht man, wenn man so will, Schritt für Schritt auch in das politische Geschäft. Und dieses Momentum, für das brenne ich heute noch. Nämlich, dass ich eigentlich Zustände verändern will.

F: Sie waren ja Klubobmann der SPÖ, sind dann vom österreichischen Nationalrat ins Europäische Parlament gewechselt. Warum dann Europapolitik ab 2019?
A: Europa war immer Bestandteil meines Lebens. Ich war in frühen Jugendjahren Vorsitzender der Europäischen Jungsozialisten, ich habe mich 1994 massiv engagiert für den österreichischen EU- Beitritt und auch als Finanzstaatssekretär, während der Finanzkrise, war eigentlich gerade die europäische Ebene die entscheidende. So gesehen habe ich mich nicht für Europapolitik entschieden, sondern nur für den Schritt ... mein politisches Handeln ins Europäische Parlament zu verlegen.

F: Was hat Sie denn überrascht, als Sie dann sozusagen Ihren Arbeitsplatz nach Brüssel verlegt haben?
A: Ich kannte natürlich den Brüsseler Betrieb sehr gut, aber trotzdem waren es eine Vielzahl von alltäglichen Dingen, die mich überrascht haben, unter anderem, dass man sich auch im Europäischen Parlament als Haus einfach in den ersten zwei Wochen ordentlich oft verläuft.

F: Und was würden Sie als Ihren bisher größten politischen Erfolg als Europaabgeordneter bezeichnen?
A: Da würde ich einige Dinge schon nennen. Gerade jüngst haben wir einen Bericht verabschiedet zum sogenannten Inge-Ausschuss, der beschäftigt sich mit Desinformation, mit ausländischen Fake- News-Attacken. Und das ist gerade in Zeiten, wo wir über den Krieg zwischen Ukraine und Russland diskutieren, wo wir merken, wie sehr es da diese Aktivitäten gibt, ein großer Erfolg, dass wir hier auch ganz klar benannt haben, wo es, woran es krankt, welche Länder aktiv sind, wie man die Social- Media-Plattformen stärker in die Kontrolle nehmen kann. Und auch, wie sehr zum Beispiel die europäischen rechtsextremen Parteien Handlanger ausländischer Interessen innerhalb der Europäischen Union sind.

F: Darüber wollen wir gleich reden, davor noch die Frage: Wie stellen Sie sich die EU in 20 Jahren vor?
A: Was ich mir wünschen würde, ist, dass die Europäische Union viel integrierter, viel selbstverständlicher ist und viel handlungsfähiger geworden ist und dass die Länder des Balkans alle Teil der Europäischen Union geworden sind.

S OU N D

ÜBERLEITUNG
Wir sprechen heute mit dem Europaabgeordneten Andreas Schieder über die Versuche fremder Staaten Desinformationen in der Bevölkerung zu streuen. Wie wichtig das Thema ist zeigt uns aktuell der Krieg in der Ukraine. Die russische Regierung spricht nicht von Krieg, sondern von einer „militärischen Spezialoperation“ und begründet sie damit, die Ukraine „entnazifizieren“ zu wollen.
Schieder saß im Ausschuss mit dem Titel: „Sonderausschuss zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation“. Im März wurde der Abschlussbericht im Plenum des Europäischen Parlaments verabschiedet.

F: Herr Schieder, der Sonderausschuss zur ausländischen Einflussnahme, wie er heißt, wurde ja schon im Jahr 2020 eingerichtet. Erinnern Sie uns, was war damals der Anlass dafür?
A: Der Anlass waren vereinzelte Berichte wie Hacker-Attacken oder auch Desinformationen-Attacken auf einzelne Wahlen und aus dem heraus war die Idee einen Sonder-Ausschuss zur Untersuchung einzusetzen. Wir waren dann sehr schnell überrascht, wie viel tiefer das Problem geht, wie viel Ärger die Attacken auch sind, als man es eigentlich aus den vereinzelten Medienberichten ursprünglich entnehmen konnte.

F: Wie tief geht das Problem denn?
A: Zum Beispiel die Einflussnahme auf Wahlen. Hier haben wir auch Anhaltspunkte und wenn man so will, Beweise für Einflussnahme gesammelt. Dass zum Beispiel Parteien wie die deutsche AfD, die ungarische Fidesz und Jobbik, aber auch die Brexit-Party sehr oft auch eng mit dem Kreml zusammengearbeitet haben. Dass Wahlbeobachter, wenn man so will, Fake-Wahlbeobachter auch diese gefälschten Wahlen auf Donezk und Lugansk geschickt worden sind. Und das ist zum Beispiel so ein weiteres Ding, wo man dann direkt sieht, dass das natürlich unserem demokratischen Modell großen Schaden zufügt.

F: Was hat sich denn in den Versuchen der Meinungsmanipulation geändert in den vergangenen Jahren?
A: Es gibt eine große Vielzahl, es gibt natürlich von dem Meinungs- oder Propaganda-Outlets auch diese Methoden, dass man bewusst durch Fake-Accounts in Social-Media-Plattformen, Kommentare und dergleichen streut. Das Streuen von Falschinformation, das bewusste Anrichten von Chaos in Demokratien, vor allem im Vorfeld von Wahlen und bei Wahlen zum Beispiel sehr oft auch das Instrumentalisieren von ethnischen Gruppen im jeweiligen Land durch gezielte Informationen, um diese, wenn man so will, aufzustacheln, ist es ein weitreichendes Feld, das natürlich in manchen Fällen auch bis hin geht durch bezahlte Funktionen für Einzelne, die dann medial durchaus auftreten können. Das sogenannte „Elite Capturing“ also, sprich das Einbinden von hochangesehenen Personen, ehemaligen Politikern über Aufsichtsrat und andere Funktionen.

F: Einer der ersten Schritte, den die EU nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine veranlasst hat, war, die staatlichen Sender RT und Sputnik in der EU zu verbieten. Ein radikaler Schritt. Wo hört Ihrer Meinung nach die Meinungsfreiheit auf und wo beginnt die Propaganda?
A: Gerade das ist eine sehr schmale Gratwanderung, wo es aber genauso wichtig ist, diesen Grad auch zu definieren: Wir wollen keine ausländischen Desinformationen-Attacken, wir wollen keine ausländischen Propagandamedien, die ja gar keine Medienarbeit im herkömmlichen Sinn machen. Wir wollen aber auf der anderen Seite auch nicht das neue Ministerium der Wahrheit, „Ministry of Truth“ entwickeln. Daher halte ich es gerade bei Russia Today und Sputnik für durchaus gerechtfertigt, diese jetzt zu verbieten, weil sie eigentlich nicht journalistische Medien sind, sondern einfach Putins wirres Sprachrohr innerhalb der Europäischen Union.

F: Was will das Europäische Parlament mit dem Sonderausschuss erreichen?
A: Ich glaube, ein wichtiges Ziel dieses Ausschusses neben konkreten Forderungen im Bericht ist einfach auch das öffentliche Bewusst-Machen. Die Bewusstmachung bei Bürgerinnen und Bürgern, beim Gesetzgeber ist glaube ich essenziell. Und da haben wir es schon geschafft, dass wir dieses Thema ganz oben auch auf der Tagesordnung ansiedeln konnte. Und dieses Bewusstsein ist auch meiner Meinung nach das beste Mittel gegen die Intention dieser Fake News.

F: Und wie können diese Sanktionen gegen die Verbreitung von Falschinformationen aussehen?
A: Na ja, was können da verschiedene Sanktionen sein? Ich denk mir, das Wichtigste bei Falschinformationen ist, dass man sie sehr schnell auch zum Beispiel kontextualisiert und mit der Wahrheit konfrontiert. Gerade rund die Covid-Virus verbreiten sich ja sehr viele Falschmeldungen und da halte ich es für notwendig, dass man einfach auch oft moderierend andere Informationen dem gegenüberstellt. Dass man falsche Informationen flaggt, dass man aber bei Dingen, die wirklich Hass und beleidigend und strafrechtlich relevant mitunter sind, dann ist natürlich hier auch die Verantwortung, dass man die vom Netz nimmt, dass man die verbietet, löscht und dergleichen. Hier tragen dann die Social-Media-Plattformen eine erweiterte Verantwortung natürlich auch.

F: Man hat sich im Bericht mit Russland beschäftigt, aber nicht ausschließlich. Welche Staaten und Gruppen stellen denn Ihrer Meinung nach die größte Gefahr für die Demokratie in der EU dar?
A: Sehr viele Fälle sind aus dem russischen Umfeld bekannt geworden, aber wie Sie richtig sagen, maßgeblich, aber nicht alleine. Das heißt auch Länder wie die Türkei, die ganz andere Methoden auch noch angewandt haben, nämlich die Instrumentalisierung zum Beispiel der jeweiligen Diaspora in den jeweiligen Ländern, der Kauf auch von Politikern, oft ... auch Firmen. Die anderen Länder, die da noch vorkommen, ist natürlich China, die sowohl am Balkan als auch in Europa teilweise aktiv sind, aber vor allem jetzt auch zum Beispiel im ... asiatischen Raum. Aber auch Länder wie Ungarn oder Länder, die Regierungen von Ungarn, Serbien und dergleichen sind auch in unseren Erforschungen durchaus aufgetaucht.

F: Der Bericht erwähnt die „Notwendigkeit einer koordinierten EU-Strategie gegen eben jene ausländische Einflussnahme“ – wie kann die Ihrer Meinung nach in Zukunft aussehen?
A: Ich denk mir, so eine Strategie muss auf mehreren Ebenen ansetzen. Joseph Borrell, der Vizepräsident der Kommission und hohe Beauftragte, hat ja schon im Auswärtigen Dienst der Europäischen Union so einer Einheit, die sich mit diesen Themen und Phänomenen auseinandersetzt, geschaffen. Die ist nur für die aktuellen Herausforderungen zu klein. Hier muss mehr passieren. Das hat er auch in der Diskussion im Europaparlament zugesichert. Dass es hier mehr, auch wenn man so will mehr Manpower, mehr Humankapital, also mehr Hirnschmalz in diesem Bereich auch geben wird. Es müssen sich aber auch alle Institutionen für sich selber klar werden, dass es ein großes Thema ist und hier auch Awareness schaffen, Gegenstrategien in vielen Bereichen entwickeln. Und wir müssen auch nicht auf die Selbstreinigung und das Bewusstsein der Social-Media-Plattformen bauen, sondern hier braucht es ganz klare Regeln, die die Verantwortung auch den Social-Media-Plattformen im Kämpfen gegen Desinformation klar benennt. Das ist von der Evaluierung der Auswirkung auf die Gesellschaft bis hin zu Kontextualisierung und Löschungs- Verpflichtungen.

Andreas Schieder war das, Europaabgeordneter der SPÖ. Wir haben mit ihm über das Thema Desinformation gesprochen. Vielen Dank, Herr Schieder.

Danke auch.
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Dieser Podcast wird im Auftrag des Europäischen Parlaments produziert und kommt aus dem Podcast-Studio hoerwinkel in Wien.