Wir sprechen mit dem Europaabgeordneten Christian Sagartz über die vereinten Bemühungen der EU-Länder gegen den Krebs. Zu Beginn machen wir eine kurze-Frage/kurze Antwort Runde.
Der offizielle Podcast des Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments in Österreich.
TZE 22 - 02 - Christian Sagartz
Christian Sagartz (ÖVP) über den Kampf gegen den Krebs
Willkommen liebe Zuhörerinnen und Zuhörer zu unserm Podcast Thema Zukunft Europa. Wir widmen uns in jeder Folge einer oder einem österreichischem Abgeordneten und stellen Fragen zu Themen, die für die Zukunft Europas relevant sind.
Christian Sagartz ist ÖVP-Europaabgeordneter aus dem Burgenland. Er arbeitet seit 2020 in Brüssel sowie Straßburg, und hat das Mandat von Karoline Edtstadler übernommen, als diese in die österreichische Bundesregierung gewechselt ist. Christian Sagartz ist stellvertretender Vorsitzender im Unterausschuss Menschenrechte und Mitglied im Entwicklungsausschuss. Und: Er saß im Sonderausschuss zur Krebsbekämpfung. Darüber wollen wir mit ihm heute sprechen. Gleich nach einer kurzen Kennenlern-Runde.
F: Herr Sagartz, warum sind Sie denn Politiker geworden?
A: Ich wurde damals Schul- und Klassensprecher. Und seither mache ich eigentlich dasselbe: Ich kümmere mich um kleine Probleme und manchmal größere. Oder kleinere Ideen. Und das ist, was an Politik mich reizt.
F: Sie waren ja lange im Burgenland als Politiker aktiv, sind dann in die Europapolitik gewechselt. Warum?
A: Die einfachste Antwort wäre, weil es mir 17.000 Vorzugsstimmen ermöglicht haben, weil es ein klarer Auftrag war durch die Vorzugsstimmen. Aber was man auch sagen kann ist, dass das Burgenland, wie fast alle Regionen, die nicht wirtschaftlich so bevorzugt sind, massiv abhängig ist von den Fördersystemen, die es in Europa gibt. Und deswegen ist es wichtig, dass wer für die Burgenländer dort eine Tür offenhält und die Anliegen weitertransportiert.
F: Was hat Sie denn am meisten überrascht, als Sie dann Anfang 2020 nach Brüssel gewechselt sind?
A: Das wird Sie überraschen: Das war nämlich sehr, sehr wenig. Ich bin vor fast 20 Jahren Gemeinderat geworden und es sind im Gemeinderat, im Landtag, im Nationalrat die Spielregeln genau dieselben wie im Europaparlament. Man muss Kompromisse finden, man muss seine Ideen versuchen zu bewerben und am Ende des Tages Koalitionen schließen, damit die Mehrheiten dann hoffentlich gute Ideen weiterbringen.
F: FRAGE: Wenn Sie zurückdenken an die vergangenen zwei Jahre, was würden Sie da als Ihren größten Erfolg bisher bezeichnen, als Europaabgeordneter?
A: Ich tue mich mit der Formulierung „größten Erfolg“ sehr schwer, aber ich glaube, ein Erfolg war der ganz aktuelle, der jetzt auch mit dem Krebsbericht zusammenhängt. Dass ich versucht habe, zu verhindern, dass Krebsbilder auf Weinflaschen kommen. Und nicht deshalb, weil ich nicht glaube, dass es wichtig ist, zum sorgsamen Umgang mit Alkohol und Genussmittel aufzurufen, sondern einfach, weil ich glaube, dass viele Dinge überbordend sind. Bürokratische Hürden aufgebaut werden. Und ich glaube, es ist wichtig, dass diese Hürden geringer werden und nicht noch höher.
F: Wie stellen Sie sich denn die EU in 20 Jahren vor?
A: Erweitert um die Länder des Westbalkans und gestärkt mit hoffentlich der Erkenntnis, dass wenn wir gerade jetzt auf die Situation in Russland und in der Ukraine den Blick werfen, eines ganz genau wissen: Nur gemeinsam können wir große Dinge bewegen. Nur mit der Kraft der 460 Millionen EU- Bürgerinnen und Bürger können wir wirklich etwas bewegen. Alles andere ist alternativlos. Es geht nur gemeinsam.
S OU N D
Nun zum Thema: Das Europäische Parlament fordert eine wirksamere Krebsbekämpfungsstrategie. Der Bericht des zuständigen Sonderausschusses wurde am 16. Februar 2022 angenommen. Ein Schwerpunkt soll künftig auf der Krebs-Vorsorge liegen, darüber hinaus soll es für Erkrankte leichter werden, an klinischen Studien in anderen EU-Staaten teilzunehmen. Die Europaabgeordneten fordern außerdem ein EU-weites Konzept gegen Arzneimittelmangel.
Krebs: Das war 2020 die zweithäufigste Todesursache in der EU, nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 2,7 Millionen Menschen wurden mit Krebs diagnostiziert, mehr als eine Million Menschen starben an der Krankheit. Christian Sagartz saß im zuständigen EU-Sonderausschuss, der 2020 seine Arbeit aufgenommen hat und diese mit Ende des Jahres 2021 beendete.
F: Herr Sagartz, bevor wir über die neue Strategie reden, bleiben wir kurz im Jetzt: Wie würden Sie denn sagen arbeiten die EU-Mitgliedsstaaten derzeit zusammen, wenn es um die Bekämpfung von Krebs geht?
A: Ja eigentlich erschreckend wenig arbeiten sie zusammen. Ich war vor kurzem in Wiener Neustadt. Dort gibt es die Einrichtung MedAustron, eine ganz spezielle Einrichtung für ganz bestimmte schwerwiegende Krebsfälle. Und da habe ich einfach mitbekommen, dass wir eigentlich einzigartige Einrichtungen haben, verteilt über ganz Europa, aber deren Zusammenarbeit eigentlich wünschenswerter wäre. Hier fehlt es einfach an den notwendigen Rahmenbedingungen. Und die wollten wir ja, das ist ja ein Ziel dieses Berichts und des Plans, der darauffolgen soll, dass hier die Zusammenarbeit einfacher wird und auch konzentrierter. Das wäre schon ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
F: Der Bericht zitiert die Zahl, dass 40 Prozent aller Krebserkrankungen durch Vorsorge verhindert werden können. Wie kann denn so eine bessere Vorsorge-Strategie ausschauen?
A: Ich glaube, da gibt es nur eine sehr nüchterne Antwort, nämlich durch Bewusstseinsarbeit. Ich war vor 18 Jahren selbst Krebspatient. Ich bin froh, dass das alles gut ausgegangen ist. Mir war aber nicht bewusst, dass man auch in jungen Jahren an Vorsorge denken sollte. Das kann man nur dann schaffen, wenn beispielsweise die Hausärzte mitmachen. Wir haben hier - im ländlichen Bereich vor allem - nur die Möglichkeit, wenn wir dieses Bewusstsein stärken. Wenn wir auch hier die Allgemeinmedizin auf unserer Seite haben, die vor Ort sind und hier vielleicht noch mehr in die Richtung geschult werden müssen und aufmerksam gemacht werden müssen, dass Vorsorge Leben rettet. Und Sie haben es ja schon angesprochen: Die Zahl von rund 40 Prozent steht im Raum, von Fällen und von schwerwiegenden Eingriffen bis hin zu Todesfällen, könnten verhindert werden, wenn wir in der Vorsorge besser werden.
F: Sie stellen im Bericht ja auch fest, dass klinische Studien länderübergreifend durchzuführen bisher relativ schwierig ist. Was müsste denn geschehen, um das zu vereinfachen?
A: Ja, es braucht gemeinsame Fördertöpfe und das ist ein klarer Auftrag an die Europäische Kommission, die ja hier einen Aktionsplan vorlegen soll. Und dass diese gemeinsamen Möglichkeiten der Forschung dann auch besonders unterstützt werden. Wir möchten Anreize schaffen, dass sich hier die Mitgliedstaaten untereinander besser vernetzen. Und dafür wird das finanzielle Mittel brauchen. Und einer dieser Vorschläge ist eben, gemeinsame Fördertöpfe zu schaffen. Hier ist die Europäische Kommission klar gefordert, etwas auf den Tisch zu legen.
F: Sie haben früher schon betont, dass Sie sich gegen Krebs-Warnbilder auf Alkohol, bei Wein auszusprechen. Bei Tabak ist das ja schon üblich. Warum also nicht künftig auch beim Alkohol?
A: Ich glaube, dass Wein ein Kulturgut auch ist und ein Genussmittel der besonderen Art. Und ich glaube, wir erreichen sehr wenig mit Zwängen und Ängsten. Aber wir könnten sehr viel mit positiven Anreizen schaffen. Und ich sehe hier einfach nicht den, den Mehrwert auf der einen Seite derartig hohe bürokratische Hürden, neue Warnbilder mit neuen Normen, mit neuen Abmessungen auf Weinflaschen zu bringen, wenn wir im Bereich der Bewusstseinsbildung noch sehr wenig tun.
Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel geben: Überlegen Sie, wie oft in der Öffentlichkeit die Verkehrstoten erwähnt werden, wie viele Kampagnen es gibt, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen. Und es steht mir gar nicht zu, dass ich jetzt hier Menschenleben aufwiegen. Das eine gegen das andere. Aber über die vielen Tausenden Menschen, die an Krebs sterben, hören Sie gegenüber dieser Zahl der Verkehrstoten noch sehr wenig. Deshalb würde ich, bevor ich Krebsbilder auf Weinflaschen produziere, doch daran denken, dass Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsmaßnahmen hier gerade jetzt hochnotwendig wären und nicht bürokratische Hürden
F: Die EU-Staaten wollen ja unter anderem vermehrt Krebsmedikamente gemeinsam einkaufen. Und eben einen Vorrat an Krebsmedikamenten anlegen. Was wäre denn die Idealsituation in fünf Jahren?
A: Dass man zum Beispiel nicht diskutieren muss in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten, ob Medikamente verfügbar sind. Ich glaube, Corona hat uns auch gezeigt und die Diskussion rund um die Impfung, wie notwendig es ist, dass Europa unabhängig wird bei Medikamenten und bei Impfstoffen. Und da kann man vor allem im Bereich der Krebstherapien vieles vorausschauend planen. Und das ist eine Chance, die dieser Bericht jetzt aufzeigt. Hier gemeinsam einen Weg zu gehen und das europaweit zu planen, eine Strategie auf den Weg zu bringen.
F: Sehr spannend fand ich auch das „Recht auf Vergessenwerden“, das im Bericht erwähnt ist, das ist ja ein Begriff auf dem Datenschutzrecht. Was bedeutet denn dieses „Recht auf Vergessenwerden“ künftig für KrebspatientInnen?
A: Ja, der Datenschutz ist natürlich auch dahingehend wichtig, dass ich als Patient das Recht habe, dass meine Krankengeschichte auch gelöscht wird. Und nicht mehr verfügbar ist. Und ich glaube, dass auch das eine Sache ist, die vielen Menschen wichtig ist, dass eben nur sie Einblick haben und der behandelnde Arzt Einblick hat in ihre Krankengeschichte. Und das haben wir jetzt einmal mehr in diesem Bericht unterstrichen, dass es in dem Bereich auch klare Regeln braucht, die in ganz Europa gelten.
Christian Sagartz war das, Europaabgeordneter aus dem Burgenland. Wir haben mit ihm über die neue EU-Strategie im Kampf gegen den Krebs gesprochen. Vielen Dank, Herr Sagartz.
Danke Ihnen.
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Dieser Podcast wird im Auftrag des Europäischen Parlaments produziert und kommt aus dem Podcast- Studio hoerwinkel in Wien.